Einführung

Die Kommunisten sind keine Verbrecherbande oder Sekte

Nach der Machtergreifung der Faschisten, im Oktober 1923, fand in Rom der Prozess gegen die italienischen Kommunisten statt. Sie waren der „illegalen Arbeit, der Bildung einer Verbrecherbande, des Komplotts und der Verschwörung“ angeklagt. Amadeo Bordiga, der gemeinsam mit seinen Mitkämpfern freigesprochen wurde, antwortete im Namen der Kommunistischen Partei Italiens:

„Die Kommunisten lehnen jede voluntaristische Deutung in Bezug auf die subjektiven Bedingungen für den Sieg der Revolution ab. (…) Die Lehre und Praxis des Kommunismus steht in einem diametralen Gegensatz zum Glauben an das Werk kleiner Eliten von Eingeweihten. (…) Wir würden in die größten Katastrophen laufen, wenn wir die politischen Ziele des Kampfes geheim hielten.
Die Partei beherbergt keine Geheimgesellschaften; wir verfolgen keine Praktiken, deren Hauptinhalt darin besteht, uns in einen Gegensatz zum Gesetz zu bringen.
Wir sind im Gegenteil daran interessiert, alle Möglichkeiten auszunützen, die das Gesetz uns bietet, um unsere Arbeit ohne Behinderungen ausüben zu können. Wenn es notwendig ist, blicken wir ihnen ins Auge, aber wir führen sie nicht aus Prinzip herbei. Denn wenn wir alle im Zuchthaus landen, ist es auch mit der Partei zu Ende.
Wir betreiben nicht zwei Arten von Propaganda, die eine öffentlich und für jeden zugänglich, die andere geheim und bekannt nur einem ausgewählten inneren Kreis. Wir sind nicht eine Sekte, welche Verschwörungen vorbereitet oder die Illusion hegt, das kapitalistische Regime könnte eines schönen Tages durch die geheime Aktion einer Minderheit gestürzt werden, ohne dass dies die Masse der Bürger bemerken würde. Im Gegenteil, unsere Partei muss eine bestimmte Wirksamkeit erreichen, um in aller Öffentlichkeit die letzte Offensive durchzuführen.
Wir denken, dass sich unsere programmatische Perspektive bewahrheiten wird, nicht weil es Ideen sind, die ein Gott oder ein Held hervorgebracht haben oder die aus transzendenten Gründen dem Geist des Menschen angeboren wären, sondern weil es Triebkräfte sind, die in der Entwicklung der geschichtlichen Wirklichkeit hervorbrechen. Diese Richtlinien werden Verfolgungen und Verurteilungen triumphieren.
Wir glauben nicht an die Rolle von Märtyrern, Helden, Eliten außerordentlicher Menschen. Wir fühlen uns als Vertreter einer politischen Partei, die das Organ der historischen Sendung des Proletariats ist; wir fühlen uns als Exponenten des Proletariats im unauschlöschlichen Konflikt zwischen den entgegengesetzten Klassen; als Werkzeuge zur Verfügung dieser kollektiven Aufgabe.“

Diese klare und unverwechselbare taktische und strategische Linie der revolutionären Kommunisten - gültig als unverzichtbares theoretisch-politisches Prinzip - sei all denen gesagt, die glauben, uns als Terroristen, umstürzlerische Mitglieder geheimer Sekten, anarchistische Aufständler, Verschwörer und noch mehr hinzustellen.

Damals, angesichts des aufkommenden Faschismus als offener Diktatur der Bourgeoisie, gleich wie heute, in der bürgerlichen Demokratie, richten die internationalistischen Kommunisten alle ihre Kräfte auf die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse. Diese kann sich nur auf dem Weg einer revolutionären, unversöhnlichen Methode und des Klassenkampfes ereignen. Wir verbergen diese Ansichten nicht, sondern proklamieren sie öffentlich, wie sich die gesamte Aktivität der Internationalistischen Kommunistischen Partei im Licht der Sonne abspielt. Die Militanten der Partei verfolgen die offen erklärten Ziele und sind an kein unerlaubtes dunkles Band gefesselt.

Die faschistische Diktatur musste auf der Basis der damals gültigen Gesetze die kommunistischen Angeklagten freisprechen und überließ sie der „Bestrafung“ durch die faschistischen Schwadronen. Die heuchlerische bürgerliche Demokratie möchte heute, dass die Kommunisten - wenn sie ihre „verderblichen Ansichten“ schon nicht ausrotten oder als außerhalb der Gesetze stehend erklären können - sich nicht konsequent als Kommunisten verhalten und ihr Programm angesichts des globalen Triumphes des Kapitals verleugnen.

Parlamentarismus und Teilnahme an den Wahlen

Der Abstentionismus „aus Prinzip“ war nie eine Position der italienischen Linken (Livorno 1921). Infolge dessen nahm unsere kleine Partei 1948 an den Wahlen teil. Sie propagierte die revolutionären Positionen des Kommunismus und trat zum ersten Mal offen der Partei von Togliatti (der stalinistischen KP Italiens. Anmerkung) entgegen. Damals bestand eine besondere Situation, eine Phase starker sozialer und politischer Spannungen. Unsere Partei zielte nicht darauf ab, Parlamentssitze zu erobern, sondern hielt es für wichtig, ihre Stimme hören zu lassen, um die sensibelsten Genossen dem Einfluss des Stalinismus zu entziehen. Seither haben die „Wahlorgien“ den „parlamentarischen Kretinismus“ und die Illusion, dass sich durch Wahlen etwas verändern ließe, entlarvt.

Unser Wahlabstentionismus ist jedoch nicht beliebig, sondern ist Ausdruck einer politischen Klassenopposition. Er ist gekoppelt mit dem Aufruf an die Arbeiter, auf ihrem autonomen Terrain und für ihre ausschließlichen Interessen zu kämpfen.

Das Internationale Büro für die revolutionäre Partei (IBRP)

1983 bildete sich als Initiative des Partito Comunista Internazionalista (der Internationalistischen Kommunistischen Partei. Anmerkung) (PCInt.) (Italien) und der Communist Workers Organisation (CWO) (Großbritannien) das Internationale Büro für die revolutionäre Partei (IBRP). Sein Hauptziel ist es, einen aktiven Beitrag zum Prozess der Bildung der internationalen Partei des Proletariats zu liefern.

Das IBRP ist nicht die Partei und maßt sich auch nicht an, die Partei zu sein, sondern es ist ein Moment der Homogenisierung und Koordinierung der Kräfte, die die Partei bilden wollen. Eine vorrangige Pflicht des IBRP ist es, die Entwicklung von potenziellen revolutionären Organisationskernen, die in verschiedenen Ländern auftauchen, zu soliden politischen Kernen unserer Strömung zu fördern. Unter den aktuellen Bedingungen sieht sich das IBRP somit als einzig mögliche und praktikable Form an, die geeignet ist, diese Arbeit zu machen, als Zwischenschritt zwischen der isolierten Arbeit der Avantgarden in den verschiedenen Ländern und der künftigen internationalen Partei.

Außer der politischen und theoretischen Auseinandersetzung und der Herausgabe von Erklärungen und Aktionslinien kümmert sich das IBRP um die internationalen Kontakte und führt die internationale Korrespondenz durch, organisiert Treffen und Diskussionen, wobei es sich um die Vertiefung und Klärung der eventuellen politischen Differenzen auf der Basis seiner theoretisch-politischen Plattform bemüht. Das IBRP gibt außerdem Publikationen in verschiedenen Sprachen heraus, in denen die zentralen Fragen und Themen der Gegenwart behandelt werden:

Publikationen

  • Internationalist Communist, Zentralorgan des IBRP (inzwischen eingestellt. Anmerkung)
  • Revolutionary Perspectives, vierteljährliche Zeitschrift der britischen Communist Workers Organisation (CWO), Mitgliedsorganisation des IBRP
  • Prometeo, Zeitschrift für sozialistische Untersuchungen und Kämpfe (auf Italienisch)
  • Battaglia Comunista, monatliches Zentralorgan des Partito Comunista Internazionalista (PCInt.)
  • Internationalist Notes / Notes Internationalistes, Zeitschrift in Kanada (Englisch und Französisch)
  • Internationalist Notes, Publikation der Sympathisanten des IBRP in den USA
  • Bilan und Perspectives, Zeitschrift der französischen Sympathisanten des IBRP
  • Dokumente auf Spanisch, Deutsch, Russisch und Ukrainisch auf der Website des IBRP: leftcom.org

Wer wir sind, woher wir kommen, was wir wollen

Viele von euch sind richtig angeekelt vom Schauspiel, das die Bewegungen und Parteien bieten, die - unabhängig davon, was die Farbe der Fahne ist, die sie in die Auslage stellen - im Dienste der Interessen der herrschenden Machtgruppen und somit jenes Teils der Bevölkerung handeln, der sich die Reichtümer und Privilegien aufteilt.

Wir halten hier klar fest, dass wir, die internationalistischen Kommunisten, niemals etwas mit jenen Verbrecherbanden und politisch-mafiösen Gruppen (so definierte selbst die bürgerliche Presse die Parteien zur Zeit des Anti-Mafia-Kampfs von Mani Pulite / Saubere Hände) gemeinsam hatten, die während des halben Jahrhunderts der Ersten Republik ihre besonderen schmutzigen Geschäfte und die allgemeinen Geschäfte des nationalen Kapitals gelenkt haben. Natürlich haben sie diese stets als die Interessen des Landes und aller Bürger ausgegeben. Nur in dieser ideologischen Verschleierung bestand ihr angeblicher Gemeinsinn, dessen sie sich rühmten, gleichzeitig knüppelten sie all die nieder, die es wagten zu protestieren.

Wir haben nichts zu tun mit dem recycelten Personal und den Parteiapparaten, die heute, in dieser Zweiten Republik und immer auf unserem Rücken, ihre Spiele der linken und rechten politischen Pole und bürgerlichen politischen Lagerbildungen spielen. Manche haben sogar die Chuzpe, sich als alternativ und fundamental-oppositionell hinzustellen, um besser den Protest zu bändigen, den sozialen Frieden aufrecht zu erhalten und das herrschende Wirtschaftssystem zu bewahren, das sie höchstens hier und dort ein wenig flicken oder ihm einen neuen Anstrich geben. Diese minimalen Änderungen werden von den Mehrheiten beschlossen, die sich auf dem parlamentarischen Markt bilden und jederzeit wieder kippen.

Mehrheiten, die formal vom Volk gewählt, in Wirklichkeit aber die Diktatur des Kapitals und der bürgerlichen Klasse vollstrecken.

Selbstverständlich haben wir auch nie an der Verteilung schwarzer Gelder, versteckter privater oder öffentlicher Finanzierungen teilgenommen, mit denen die wirtschaftliche und politische Macht ihre treuen Diener in Parlament und Regierung bezahlt.

Wir hatten auch nie etwas Gemeinsames mit jener Linken, die sich als Anhänger von Stalin, Mao und der verschiedenen realen Sozialismen als kommunistisch ausgab. Wir haben nicht nur ihre Sprache und Taktiken, Methoden und Ziele nicht geteilt, wir waren ihre hartnäckigsten Gegner. Noch bevor sich die Nazis an die Sowjetunion annäherten (Hitler-Stalin-Pakt) und die liberalen Demokratien Stalin die Hand reichten, um Europa zu befreien und sich mit ihm die Beute aufzuteilen, denunzierte die italienische kommunistische Linke, im Interesse des internationalen Proletariats und der kommunistischen Weltrevolution, den konterrevolutionären Verrat des Stalinismus und den Übergang der Kommunistischen Internationale in den Dienst der Interessen des russischen Staatskapitalismus. Diese Haltung brachte ihr Verfolgungen der Rechten wie der Linken ein, die einige Genossen mit dem Leben bezahlten. Sie wurden von den Schergen Stalins und des Genossen Togliatti ermordet, in Situationen, wo die Schergen der anderen Seite, von Mussolini, Hitler und Franco, nicht zuschlagen konnten. Diesen Verfolgungen standen all die gleichgültig gegenüber, die sich die Auszeichnung an die Brust hefteten, den Faschismus und später den sowjetischen „Kommunismus“ beseitigt zu haben

Unter der sozialdemokratisch-liberalen Maske der parlamentarischen Demokratie bestehen Faschismus und Stalinismus fort und halten sich bereit, im Falle eines künftigen Aufschwungs von Arbeiterkämpfen mit ihren ideologischen Waffen das bestehende System zu verteidigen.

All das zeigt, warum sich unser politisches Verhältnis zur bürgerlichen Linken immer das gleiche geblieben ist und wie es sich auch in Zukunft nie ändern wird oder könnte.

Unsere politische Kritik

Wir möchten an diesem Punkt erklären, wer wir sind und was wir wollen. Wenn wir vorhin unseren Abstand zum Spektakel, in welchem sich so viele Jongleure und Scharlatane zur Schau stellen, hervorgehoben haben, so heißt das natürlich nicht, dass wir eine Position der passiven Betrachtung einnehmen.

Ganz im Gegenteil. Wir machen nicht die Politik derjenigen, die sich Vertretungsvollmachten für … private Zwecke anmaßen. Wir machen die Politik derjenigen, die in dieser Gesellschaft gezwungen sind, ihre Arbeitskraft und ihre Intelligenz an die zu verkaufen, die es für ihr unantastbares Recht halten, Profite, Reichtum und Macht … zum Wohle aller anzuhäufen. Das macht schamlos, sogar / geradezu nachdem sie sozusagen Arbeiter und Arbeitslose, Junge und Pensionisten überzeugt haben, dass ohne die Initiative, das Kapital, den Handel und die finanziellen Machenschaften der glücklicheren Bürger alle anderen Hunger und Elend leiden würden. Und wenn Hunger und Elend nicht verschwinden, sondern im Gegenteil zunehmen in dieser schönen Welt, wäre das nur die Schuld der weniger glücklichen Bürger, die keine weiteren Opfer mehr akzeptieren.

Unsere Politik besteht nicht darin, zwischen den Guten und den Schlechten zu vermitteln oder negative wirtschaftliche und soziale Auswirkungen einzudämmen, immer im grundsätzlichen Akzeptieren der aktuellen Produktions- und Distributionsweise und der aktuellen Klassenteilung der Gesellschaft, zwischen reich und arm, Bourgeois und Proletariern. Unsere Politik - die Politik der internationalistischen Kommunisten - kann nur in der radikalen und unnachgiebigen Kritik des Bestehenden bestehen; in der Entlarvung der unverbesserbaren Auswirkungen dieser Produktions- und Distributionsweise, die an den Grenzen des Absurden angekommen sind; in der Rebellion gegen immer unerträglichere Lebensbedingungen; im Kampf gegen die Ursachen aller Leiden, Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen, die Millionen, Milliarden Menschen in allen Teilen der Welt an der Schwelle zum dritten Jahrtausend hinzunehmen gezwungen sind.

Auf den folgenden Seiten …

Manche fragen sich jetzt vielleicht: Aber wer sind die Proletarier? Sind wir nicht alle Bürger, mit gleichen Rechten und Möglichkeiten, auch wenn es einige Unterschiede im Einkommen gibt? Müssen wir nicht alle ein Interesse daran haben, dass die Wirtschaft unseres Landes gut läuft und sich der Konsum und der Wohlstand auf alle Bürger verteilt (natürlich immer unter der Vorgabe, dass die Bankkonten der Bürger unterschiedlich sind)?

Wenn ihr die Geduld habt, weiter zu lesen, werden wir eure Fragen und Zweifel beantworten und versuchen, euch zu erklären, wie die Dinge wirklich bestellt sind. Wir werden es so einfach und klar wie möglich machen, auch wenn wir an ein Minimum an Aufmerksamkeit appellieren. Die behandelten Fragen haben den Anspruch, sich wenigstens auf eine höhere Stufe zu stellen als so vieles, das üblicherweise von den Massenmedien präsentiert wird: von den Kommentatoren, Soziologen, Ökonomen, Journalisten, Fernsehmoderatoren, Parlamentsabgeordneten usw. usf.

Und wenn es uns am Ende gelungen sein wird, euch die von uns vertretenen Grundsätze und unsere theoretisch-politische Plattforum näher kennen zu lernen, wird unsere Mühe nicht umsonst gewesen sein. (Die letzten Absätze sind nur rhetorisches Blabla und ein unsäglicher Redeschwall.)