„Uníos Hermanos Proletarios“ – Der ArbeiterInnenaufstand in Asturien 1934

Als die „sozialistischen“ Parteien der Zweiten Internationale beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 die ArbeiterInnen dazu aufriefen, sich für das „Vaterland“, d.h. die imperialistischen Interessen ihrer Ausbeuter abzuschlachten, trat ihr reaktionärer Charakter offen zutage. Im spanischen Staat verhielt es sich jedoch anders. Hier gelang es der Bourgeoisie sich aus dem Konflikt heraus – und „neutral“ zu verhalten. Das erlaubte auch der „Sozialistischen“ Partei (PSOE) und der anarchosyndikalistischen CNT sich weiterhin das Image proletarischer Organisationen zu geben. Was die PSOE anbelangt, so hatte sie ihren Opportunismus jedoch schon zur Genüge unter Beweis gestellt als sie sich mit der Militärdiktatur von Miguel Primo de Rivera arrangierte und mit ihr zusammenarbeitete.

Der PSOE-Führer Largo Caballero war unter der Diktatur Primo de Riveras sogar als Staatsrat tätig. Dies erlaubte es zwar der PSOE und ihrer Gewerkschaft UGT weitgehend im legalen Rahmen zu agieren, während die Repression gegen andere Organisationen der ArbeiterInnenbewegung, insbesondere die AnarchistInnen, hingenommen wurde. Später ging die PSOE ein Bündnis mit den republikanischen Parteien der Bourgeoisie ein (der zweite starke Mann der PSOE, Prieto, war selber Millionär) um 1931 die Spanische Republik aus der Taufe zu heben. Largo Caballero wurde nun Arbeitsminister im Kabinett der „Zweiten Spanischen Republik“ und zeichnete für repressive Anti-Streik-Gesetze verantwortlich, mit denen u.a. auch der konkurrierenden CNT das Wasser abgegraben werden sollte. 1931 verbot Caballero einen Streik der von der CNT dominierten Telefongewerkschaft. Im Zuge dieser Repression kamen 2000 Streikende in den Knast.

Am 12. Januar 1933 wurde auf Anweisung der Regierung der Zweiten Republik ein Aufstand verarmter anarchistischer LandarbeiterInnen brutal niedergeschlagen. 25 AnarchistInnen wurden von der Guardia de Asalto brutal niedergemetzelt. Präsident Manuel Azana hatte diesbezüglich die Anweisung „tiros a la barriga“ („Schießt auf die Bäuche“) ausgegeben. Doch trotz der großen Empörung, die das Massaker von Casas Viejas in ArbeiterInnenkreisen auslöste, gelang es der PSOE ihren Rückhalt in der ArbeiterInnenklasse zu halten. Im spanischen Staat wie auch anderswo hatten die ArbeiterInnen nach wie vor große Illusionen in die alten Parteien. Das Massaker von Casas Viejas führte zum Bruch der ersten Regierungskoalition der Republik. Die PSOE wie auch alle anderen oppositionellen Arbeiterparteien versuchten nun ihre Basis zu beruhigen, indem sie eine radikalere Rhetorik anschlugen. Um von ihrer früheren Regierungsbeteiligung abzulenken rief die PSOE die „Alianza Obrera“ (ArbeiterInnenallianz) mit anderen linken Organisationen ins Leben. Diese Politik der radikalen Worte erreichte ihren Höhepunkt als es den Anschein hatte, dass die rechtsgerichtete Partei CEDA an der Regierung beteiligt werden könnte. Der PSOE-Führer Largo Caballero drohte für diesen Fall mit einem Aufstand. Die „Alianza Obrera“ unternahmen jedoch nichts, um einen bewaffneten Kampf vorzubereiten. Es wurden keine Waffen ausgeteilt, keine Milizen aufgestellt oder Vorbereitungen für eine Verbrüderung mit den „quintas“, den einfachen Wehrpflichtigen getroffen. Als die CEDA tatsächlich in die Regierung eintrat, lag der Bluff der PSOE offen zutage.

Largo Caballero rief zu einem Generalstreik auf, räumte der Regierung jedoch großzügig 24 Stunden Zeit ein, um sich darauf vorzubereiten. Dennoch strömten die arbeitenden Massen in Madrid am selben Tag spontan auf die Straßen. Sie hofften, dass die PSOE ihr vages Versprechen Waffen zu verteilen erfüllen würde. Bis zum 12. Oktober war die spanische Hauptstadt vollkommen lahmgelegt. Aber die PSOE hatte nichts unternommen. Am 13. Oktober rief sie zur Wiederaufnahme der Arbeit auf und reklamierte den Sieg für sich. Tatsächlich war aber nichts erreicht worden. Auch in Barcelona hatten die ArbeiterInnen spontan Barrikaden auf den Straßen errichtet. Doch auch hier unternahm die tonangebende CNT keine weiteren Schritte. Für die Führung der CNT handelte es sich lediglich um einen Konflikt politischer Parteien, mit dem sie nichts zu tun haben wollten. Auf diese Weise leistete die CNT ihren Beitrag, um die ArbeiterInnen in Asturien zu isolieren.

Die Räte in Asturien

Nur in Asturien wo die Kontrolle der sog. „politischen Führer der Arbeiterklasse“ nicht so umfassend war, nahm die Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen wirkliche Ausmaße an. Anfangs nur mit Dynamitstangen bewaffnet, eroberten sie die Kasernen der Guardia Civil und verteilten deren Waffen. Unter der Losung „Unidos Hermenos Proletarios!“ (Proletarische Brüder, schließt Euch zusammen!) eroberten die ArbeiterInnen organisations- und strömungsübergreifend die Dörfer und Städte und nahmen dabei 30 000 Gewehre in Beschlag. In La Felguera bauten ArbeiterInnen gepanzerte Fahrzeuge sowie Bomben-und Granatwerfer um den Mangel an Gewehren und Munition auszugleichen. Am 7. Oktober hatten die BergarbeiterInnen ganz Asturien und die wichtige Stadt Oviedo unter ihrer Kontrolle. Es war eine genuine proletarische Bewegung, die die bürgerlichen Manöver der PSOE durchkreuzte.

Durch seine eigene Bewegung zerstörten die Aktionen des Proletariats die staatlichen Institutionen und den kapitalistischen Besitz. Die Macht wurde durch lokale ArbeiterInnenkomitees ausgeübt, die sich auf das bewaffnete Proletariat stützten und die Besitztümer wurden in der Regel ohne weitere Formalitäten umverteilt (1)...

schrieb dazu der spanische Linkskommunist G. Munis

Da sie sich nicht mehr auf die Wehrpflichtigen der regulären spanischen Armee stützen konnte, griff die Regierung in Madrid nun auf die 40 000 Mann starke Fremdenlegion und die Maurischen Truppen zurück. Trotz ihrer Artillerie und ihrem brutalen Vorgehen (Gefangene wurden sofort erschossen) konnte dieses mächtige Truppenaufgebot jedoch nur in den Küstenregionen „Erfolge“ vorweisen. In den Bergen von Asturien hielten die BergarbeiterInnen stand. So wie die „sozialistischen“ Führer in Madrid den Kampf zu dem sie selber aufgerufen hatten, verrieten, ließen auch die „sozialistischen“ Politiker in Asturien die ArbeiterInnen im Stich. Als sie erfahren hatten, dass es keinen allgemeinen Generalstreik geben würde, riefen sie die ArbeiterInnen in Asturien auf ihre Waffen niederzulegen. Danach machten sie sich aus dem Staub und überließen die ArbeiterInnen ihrem Schicksal. Gleichwohl wählten die ArbeiterInnen ihre revolutionären Komitees neu, die sich nun aus den „fortgeschrittenen Elementen des asturischen Proletariats“ (G. Munis) zusammensetzten. Der ungleiche Kampf zwischen den Bergleuten und Francos Armee dauerte noch eine ganze Woche an. Als den BergarbeiterInnen die Munition ausging und es offensichtlich wurde, dass nirgendwo im spanischen Staat andere ArbeiterInnen ihrem Beispiel folgten, sahen sie sich gezwungen den Rückzug anzutreten.

Die Repression

Angesichts ihrer Isolation vereinbarten die Delegierten des Provinzkomitees der asturischen ArbeiterInnen mit dem örtlichen Kommandierenden der Armee, Lopez Ochoa, einen Waffenstillstand. Trotz dieser Vereinbarung war die Rache der „Armee der Ordnung“ der barbarischste Akt in einer ganzen Dekade der Repression:

In der Vereinbarung zwischen Lopez Ochoa und dem Provinzkomitee hatte dieser zunächst zugesichert, dass die Bergbaugebiete von den Maurischen Wehpflichtigen besetzt werden würden und die Fremdenlegion die Nachhut bilden sollte. Doch obwohl dies formal zugesichert war, steigerten sich die Grausamkeiten von Tag zu Tag. Die Guardia Civil leistete ihren Beitrag, indem sie massenhaft Hinrichtungen durchführte. So wie im Mittelalter die Heerführer ihren Söldnertruppen erlaubten widerständige Städte zu plündern, so gab die Reaktion ihren Söldnern einen Freibrief zum Plündern, Modern und Foltern. Ganze Familien wurden vom Neugeborenen bis zu den Großeltern komplett ausgelöscht. Unzählige Menschen wurden von der „Armee der Ordnung“ gefoltert und zu Tode geprügelt. Hunderte wurden ermordet und an geheimen Orten verscharrt (2).

An die 5000 ArbeiterInnen wurden ermordet und weitere 30 000 eingesperrt und gefoltert. Die Führer der PSOE wurden jedoch schnell amnestiert. Gleichzeitig wurde Largo Caballeros Mythos vom „spanischen Lenin“ aus der Taufe gehoben, als er zu einer dreißigjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, die er natürlich nie ganz verbüßen musste.

Die Lehren

Bis zum endgültigen Sieg der internationalen sozialistischen Revolution sind alle Kämpfe der ArbeiterInnenklasse in gewisser Hinsicht Niederlagen. Das Ausmaß der Niederlage der asturischen BergarbeiterInnen geht jedoch über ein brutales Abschlachten von ArbeiterInnen hinaus. Wenn die Niederschlagung des „Asturischen Oktober“ zu einer politischen Entlarvung des antirevolutionären Charakters der PSOE, der CNT und der spanischen „Kommunistischen“ Partei (PCE) geführt hätte, wären die vielen Opfer vielleicht nicht umsonst gewesen. Unglücklicherweise verschafften die Ereignisse jedoch der PSOE nicht nur den unverdienten Nimbus von Märtyrern sondern waren auch der Anfang der Volksfrontregierung, die im Februar 1936 gewählt wurde. Was 1934 als „Alianza Obrera“ mit dem vorgeblichen Ziel einer Räterepublik begonnen hatte, wurde nun zum Bestandteil der imperialistischen Politik der Sowjetunion, die im Sinne eines angestrebten Bündnisses mit Frankreich und Großbritannien die ArbeiterInnen aufforderte „die Demokratie gegen die faschistische Bedrohung zu verteidigen.“ Dies führte die BergarbeiterInnen, die 1934 noch gegen die bürgerliche Republik gekämpft hatten, dazu 1936 die Waffen wieder aufzunehmen – doch diesmal um sie zu verteidigen. Die „Verteidigung der Demokratie“ ersetzte den Kampf für den Sozialismus und in diesem Sinne wurde der Spanische Bürgerkrieg von 1936-39 zur Generalprobe für den Zweiten Weltkrieg. Auch hier wurde die Losung der „Verteidigung der Demokratie“ von den Kräften der Anti-Hitler-Koalition (Großbritannien, Russland und den USA) genutzt, um die ArbeiterInnen für das imperialistische Gemetzel von 1939-45 zu mobilisieren.

Heutzutage steht die ArbeiterInnenklasse nicht unter dem Einfluss falscher „sozialistischer“ Führer wie 1914 oder 1934. Allerdings hat sie bisher allenfalls in Ansätzen ihrem Widerstand gegen das Kapital einen eigenen bewussten Ausdruck gegeben. Die wichtigste Lehre von Asturien ist, dass ohne eine autonome proletarische Organisation ArbeiterInnen in einen Kampf geführt werden, in dem sie trotz ihres Heroismus und ihrer Fähigkeit zur Selbstorganisation nicht aus den Fallstricken bürgerlicher Politik herauskommen. Eine solche Organisation hätte 1935 die politische Krise der Bourgeoisie offenlegen und eine proletarische Perspektive aufzeigen müssen. Dazu wäre es notwendig gewesen sowohl den „Antifaschismus“ der PSOE wie auch die apolitischen Haltung der CNT zu demaskieren und für Solidaritätsaktionen der gesamten spanischen ArbeiterInnenklasse mit den Bergleuten in Asturien einzutreten. KommunistInnen dürfen die inneren politischen Krisen und Konflikte der Bourgeoise nicht einfach ignorieren, oder gar Bewegungen der ArbeiterInnenklasse, die unter dem Einfluss bürgerlicher Kräfte stehen, einfach den Rücken zudrehen. Vielmehr geht es darum, die Spielräume, die in diesen Krisen und Bewegungen entstehen, zu nutzen und für eine wirkliche Klassenantwort, eine antikapitalistische Stoßrichtung der Bewegung einzutreten. Asturien zeigt im begrenzten Maße, dass so etwas möglich ist, wenn es eine kommunistische Präsenz in der Klasse gibt.

In den 30er-Jahren waren die ArbeiterInnen im spanischen Staat vom Rest der ArbeiterInnenklasse in Europa abgeschnitten, die in den großen Kämpfen und Auseinandersetzungen des vorherigen Jahrzehnts schwere Niederlagen hatte einstecken müssen. Heute beginnt sich die internationale ArbeiterInnenklasse von dem langen Alptraum dieser Niederlagen zu erholen. Weltweit bringt sie neue kommunistische Zirkel und Gruppen hervor. Die internationale Vereinigung dieser Kräfte und ihre Verankerung in der internationalen ArbeiterInnenklasse ist essentiell, um die mannigfaltigen Ausformungen der bürgerlichen Ideologie zu durchbrechen und eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung zu erkämpfen.

Eine kurze Zeitleiste:

  • 1914-1918: Erster Weltkrieg. Die spanische herrschende Klasse verhält sich neutral. Es kommt im spanischen Staat zu einer rapiden Entwicklung des Kapitalismus und der ArbeiterInnenklasse.
  • 1917: Ausbruch der Russischen Revolution, die eine weltweite revolutionäre Welle hervorruft. Gegen 1921 ist die Revolution isoliert, die Klassenbewegung auf dem Rückzug. Sie findet in China 1927 ihren letzten Ausläufer.
  • 1923: Angesichts des Scheiterns des Marokko-Krieges akzeptiert die Monarchie die Diktatur von Miguel Primo de Rivera. Der Führer der PSOE und der Gewerkschaft UGT, Largo Caballero wird als Staatsrat für die Regierung tätig.
  • 1927: Gründung der FAI (Anarchistische Föderation Iberiens)
  • 1929: Der Crash an der Wall Street stürzt auch den spanischen Staat in eine tiefe Krise.
  • 1931: Sturz der Monarchie von Alfonso XII. Gründung der Zweiten Republik.
  • 1933: Massaker an anarchistischen LandarbeiterInnen in Casa Viejas in Andalusien. In Deutschland kommen die Nazis an die Macht. In Spanien verzeichnet die Rechte bei den Wahlen zu den Cortes einen Erfolg.
  • 1934: Der Aufstand der ArbeiterInnen in Asturien wird von Francos Truppen blutig niedergeschlagen.
  • 1935: Der Kongress der Komintern verabschiedet die Volksfrontpolitik mit „fortschrittlichen“ bürgerlichen Parteien. Im November bilden die linken Parteien die Volksfront unter Leon Blum.
  • 1936: Im Februar bildet sich die Volksfrontregierung in Spanien. Im Juni wird die Volksfront unter Leon Blum in Frankreich gewählt. Im Juli Francos Putsch stößt auf massiven Widerstand der ArbeiterInnenklasse. Da sich die Volksfrontregierung weigert Waffen an die ArbeiterInnen auszugeben, kann er trotzdem die Hälfte des spanischen Territoriums kontrollieren. Der Bürgerkrieg beginnt. Im August vereinbaren Frankreich und Großbritannien einen Nichtinterventionspakt in Spanien. Im September wird Largo Caballero Premierminister. Er besteht auf der Regierungsbeteiligung der „Kommunistischen“ Partei. CNT und POUM treten der katalanischen Regierung bei. Im Oktober kommt es zu ersten Erlassen die Milizen zugunsten einer regulären bürgerlichen Armee unter einheitlichem Kommando aufzulösen. Im November treten die Anarchisten der Zentralregierung in Madrid bei. Im Dezember wird die POUM aufgrund des Drucks der stalinistischen KP aus der Regierung ausgeschlossen.
  • 1937: Im Mai versuchen Stalinisten die von der CNT kontrollierte Telefonzentrale in Barcelona zu stürmen. Dies führt zu den sog. „Maitagen“, d.h. zu einem Aufstand des Proletariats in Barcelona. Largo Caballero wird als Premier durch den gefügigeren Juan Negrin ersetzt. Im Juni wird die POUM verboten, die stalinistische Repression läuft auf Hochtouren.
  • 1938: Im Juni erreichen Francos Truppen die katalanische Küste und teilen das den republikanischen Teil in zwei Hälften.
  • 1939: Im Februar erkennen Frankreich und Großbritannien Franco als legitimen Herrscher an, obwohl er bis dato nur zwei Drittel des Landes kontrolliert. Im März bricht die Republik endgültig zusammen. Der Hitler-Stalin-Pakt führt im August zur Aufteilung Polens und letztendlich im September zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.

(1) G. Munis: Jalones de derrota: promesa de Victoria, Seite 157 (Übersetzung durch GIS).

(2) Ebenda.

Tuesday, August 7, 2012