Das Massaker bei Charlie Hebdo: Ein Ausdruck der Barbarei des Kapitalismus

Nach dem blutigen Einsatz der französischen Sicherheitskräfte besteht kein Zweifel, dass die Massaker in den Redaktionsräumen der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und einem jüdischen Lebensmittelgeschäft auf das Konto von Dschihadisten gehen. Die ohnehin schon im Auftrieb begriffenen rassistischen und islamfeindlichen Bewegungen in ganz Europa werden dadurch weiter gestärkt werden. Genau das hatten die Mörder einkalkuliert. Eine schärfere Diskriminierung und Unterdrückung der Muslime wird potentiell auch ihren kleinen fanatischen Gruppen neuen Zulauf bringen. Weitere Gewaltakte und ein noch aggressiverer Rassismus sind vorprogrammiert. Das ist der Krieg, den sie wollten. Doch die Akte terroristischer Minderheiten fallen nicht vom Himmel. Sie gedeihen in einem Klima endloser Brutalität und Unmenschlichkeit.

Die übergroße Mehrheit der 1.9 Milliarden Muslime in der Welt verabscheut die Aktionen der salafistischen Sekten. Zwar beziehen sich die Salafisten gerne auf die religiösen Verlautbarungen des Propheten, doch in Wirklichkeit liegen ihren Aktionen handfeste materielle Interessen zugrunde. Es kommt nicht von ungefähr, dass der Dschihadismus nach der Besatzung Afghanistans und des Irak auf dem Vormarsch ist. Der westliche Imperialismus war an dieser Entwicklung nicht ganz unbeteiligt. Während des Kalten Krieges rüsteten die USA gezielt die Mudschahedin in Afghanistan auf, während das verbündete Saudi-Arabien den Aufbau von Koranschulen in Pakistan beförderte. Aus den Koranschulen gingen die Taliban hervor, die schließlich Kabul eroberten. Aus den Mudschahedin formierte sich das Terrornetzwerk Al Kaida. Als Saddam Hussein in Kuweit einmarschierte, gestattete Saudi Arabien den USA die Errichtung von Militärstützpunkten auf „heiligem Boden“ und beförderte damit den Hass der Al Kaida. Die Terroranschläge des 11. September waren schließlich der Auftakt für die imperialistischen Kriege in Afghanistan und im Irak. Während des Irakkrieges warfen die USA und ihre Verbündeten mehr Bomben ab als im ganzen Zweiten Weltkrieg. 200 000 Iraker kamen ums Leben.

In Anbetracht des Zynismus imperialistischer Machtpolitik gewann der Dschihadismus als vermeintliche Perspektive im Kampf gegen den korrupten und korrumpierenden Westen zunehmend an Boden. Dies hatte die Herausbildung islamistischer sunnitischer Sekten zur Folge, die nicht davor zurückschrecken zum Mord an anderen Muslimen bzw. der Vergewaltigung ihrer Frauen und Töchter aufzurufen. Ihr Ziel besteht in der Errichtung eines Kalifat-Staates, der sich „im Namen Allahs“ auf die Ausbeutung und Vermarktung der Öl- und Energieressourcen stützt. Der sog. „Islamische Staat“ des Abu Bakr al Baghdadi ist nur die jüngste Kreation einer politischen Bewegung, die die kapitalistische Barbarei unter religiösen Vorzeichen verewigen will.

Doch das Massaker bei Charlie Hebdo geht nicht nur auf die imperialistische Machtpolitik sondern auch auf die internationale Krise zurück. Die Arbeitslosigkeit, Diskriminierungen und Zerstörungen, die der Imperialismus im Nahen Osten und Asien angerichtet hat, spiegeln sich auch in der Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit der Jugend in den westlichen Industrieländern wieder. Die rassistische Diskriminierung von Minderheiten (bspw. in den Pariser Banlieues) schafft einen zusätzlichen Nährboden für Verzweiflungstaten. Die Chefin des rassistischen „Front National“ ,Marie Le Pen, hat sich nach den Anschlägen in populistischer Manier für die Wiedereinführung der Todesstrafe ausgesprochen. Sie ahnt offenbar nicht einmal, dass für viele Menschen das Leben mittlerweile so verzweifelt und wertlos geworden ist, dass sie sich von einem sog. „Märtyrertod“ zumindest etwas Bedeutung erhoffen.

Gleichwohl haben die Attentäter mit ihrem Massaker bei Charlie Hebdo den „demokratischen Staaten“ einen propagandistischen Bärendienst erwiesen. Die Französische Regierung hat die Morde geschickt aufgegriffen, um nun zur "Verteidigung von Pressefreiheit und Demokratie“ aufzurufen. Auf den „Je suis Charlie“-Demonstrationen wird unter den Klängen der Marseillaise zur Verteidigung der patriotischen Werte der Französischen Republik aufgerufen, einer Republik an der das Blut von Kolonialismus und imperialistischen Kriegen klebt. Mittlerweile sind alle Politiker von Obama bis Putin auf den Zug aufgesprungen. Die Verteidigung „unserer demokratischen Werte“ ist in aller Munde.

Die Message ist denkbar einfach: Vergiss die Krise, die Deinen Lebensstandard immer weiter runterzieht! Denk nicht an Deinen befristeten Arbeitsvertrag, an Deine prekären Arbeitsbedingungen, an die Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich! Reih Dich in die „Einheitsfront“ (so der französische Innenminister) zur Verteidigung der Demokratie! Doch um welche und vor allem wessen „demokratische Werte“ geht es hier?

Ohne soziale Gleichheit kann es wirkliche Demokratie nicht geben. In einem System, welches auf Profitmaximierung basiert, werden die Banken „gerettet“, während die ArbeiterInnenklasse immer mehr draufzahlen soll. Uns stehen weitere soziale Kürzungen ins Haus, weil unsere „demokratischen“ Kapitalisten keine andere Lösung für die Krise zu bieten haben. Zwar reden sie viel über einen Aufschwung und wirtschaftliche Erholung – doch damit meinen sie die Einkommen der Reichen.

Bei allem Entsetzen, bei aller Trauer und Mitgefühl für die Opfer des Terrors sollte man nicht auf dieses Spiel hereinfallen. Der einzige Ausweg aus der Spirale der dschihadistischen Barbarei und dem krisengeschüttelten Kapitalismus ist der Kampf für die eigenen Interessen, die Weigerung weitere Kürzungen, schlechte Arbeitsbedingungen und zunehmende Ausbeutung zu akzeptieren. Sicher kann man bei den Wahlen wählen wen man möchte – doch die Abwahl des Kapitalismus steht dabei nicht zur Debatte. Daran wird sich auch solange nichts ändern, wie sich die ArbeiterInnen nicht weltweit gegen die herrschende Ordnung zur Wehr setzen. Die Dschihadisten mögen von ihrem Kalifat träumen, aber sie haben keine Alternative zu bieten, die über die Herrschaft des Kapitals über die Lohnarbeit hinausgeht. Doch dieses System steckt bis an seine Wurzeln in der Krise. Der einzig mögliche Ausweg besteht darin, dieses System weltweit zu bekämpfen und an der Wurzel auszureißen. Wir brauchen eine antikapitalistische Bewegung mit einer klaren Perspektive und Zielrichtung: Einer Gesellschaft ohne soziale Ungleichheit und wirtschaftliche Not, ein System der ArbeiterInnendemokratie, in dem die Delegierten jederzeit wähl- und abwählbar sind, eine Welt ohne Geld, Ausbeutung, Klassen und nationale Grenzen. Letztendlich wird es nur durch den Kampf für eine grundlegend andere Gesellschaft möglich sein, imperialistischen Kriegen und dschihadistischem Terror ein Ende zu bereiten.

Sozialismus oder Barbarei!

Es gibt keinen Dritten Weg!

Die InternationalistInnen

Internationalistische Kommunistische Tendenz – IKT

Sunday, January 11, 2015