Arthur Goldstein (KAPD): Gegen den Nationalkommunismus!

„Macht die Sache des Volkes zur Sache der Nation, dann wird die Sache der Nation die Sache des Volkes sein!“ fasste der nationalistische Propagandist Karl Otto Paetel1 die Quintessenz der Ideologie des Nationalbolschewismus zusammen, die heutzutage von der extremen Rechten wieder intensiv rezipiert wird. Die Grundzüge dieser reaktionären Konzeption gehen auf die Umtriebe der beiden sog. „Hamburger Nationalkommunisten“ Fritz Wolffheim und Heinrich Laufenberg zurück, die Anfang der 20er Jahre argumentierten, dass das sog „Versailler Diktat“ zu einer „Verstümmelung des deutschen Reichkörpers“ und zu einer „Proletarisierung des gesamten deutschen Volkes geführt“ habe. Daraus leiteten sie die Notwendigkeit eines „Burgfriedens zwischen Kapital und Proletariat ab, und traten für einen „revolutionären Volkskrieg“ im Bündnis mit der Sowjetunion gegen die westlichen Ententemächte ein. Dieses nationalistische Konglomerat mündete schließlich in antisemitischen Hetztriaden, die sich maßgeblich (aber nicht nur) gegen den damaligen KPD-Vorsitzenden Paul Levi richteten. Derart reaktionäre Töne sorgten in der kommunistischen Bewegung für Verwunderungen und allerlei Konfusionen. Schließlich waren weder Wollfheim noch Laufenberg nicht irgendwer. Beide hatten sich in der amerikanischen IWW (Industrial Workers of the World) engagiert, standen lange Zeit auf dem linken Flügel der Sozialdemokratie und waren Gründungmitglieder der KPD. Innerhalb der KPD hatten sie gegen die Anwendung parlamentarischer und gewerkschaftlicher Taktiken opponiert. Nach dem von Paul Levi mit bürokratischen Mitteln durchgesetzten Ausschluss der linkskommunistischen Opposition hatten sie sich an der Gründung der KAPD (Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands)2 beteiligt und maßgeblich im Hamburger Bezirksverband großen Einfluss ausgeübt. Der Übergang zweier prominenter Mitglieder zu offen reaktionären und nationalistischen Positionen war für die frisch gegründete KAPD eine ernsthafte Belastungsprobe. Es war maßgeblich der heute weitgehend vergessene Linkskommunist Arthur Goldstein3 , der den sog. „Hamburger Nationalkommunismus“ einer gründlichen Kritik unterzog und damit den unverzüglichen Ausschluss Laufenbergs und Wolffheims aus der KPAD bewirkte. Im Folgenden dokumentieren wie ein von Goldstein auf dem Zweiten Parteitag der KAPD gehaltenes Referat zum Thema „Nation und Klassenkampf“. Goldsteins Beitrag ist nicht nur ein bewegendes historisches Dokument, welches die Probleme der damaligen revolutionären Bewegung anschaulich vor Augen führt. Trotz einiger partieller Schwächen zeugt es von den Bemühungen zur kritischen Selbstreflektion und theoretischen Kohärenz bei der Verteidigung internationalistischer Prinzipien und hat daher gerade heute nicht an Aktualität verloren.

Arthur Goldstein: Nation und Klassenkampf (Referat auf dem zweiten Parteitag der KAPD, 1.-4. August Berlin- Weißensee)

Genossen und Genossinnen! Die Stunde ist angebrochen, wo die Auseinandersetzung zwischen Kommunismus und nationalem Kommunismus, diesem Abfallprodukt der bürgerlichen Welt, erfolgen muss. Ich möchte bemerken, nicht der Rausch und die Ekstase dürfen der Geist dieses Parteitages sein, sondern ruhige, sachliche Überlegung und Abwägung dessen, was zu diesem Thema gesagt werden muss, soll für uns maßgebend sein. Sie werden daher nicht erwarten dürfen, dass ein Brillantfeuerwerk von Phrasen Sie überschütten wird, vielmehr werde ich in ganz sachlicher Form alles das zum Ausdruck bringen, was zu diesem Thema gesagt werden muss. Es muss doch in unserer Partei meiner Auffassung nach endlich einmal eine Klarstellung erfolgen, wo die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands aufhört und die Deutschnationale Volkspartei anfängt. Ich möchte darauf hinweisen, dass bei der Beurteilung des Standpunktes unserer Genossen in Hamburg für die Delegierten des Parteitages nicht maßgebend sein kann, was sie ihnen hier sagen werden, sondern einzig und allein das, was in ihren Schriften und Zeitungsartikeln fixiert ist. Nur von diesen Gesichtspunkten aus dürfen Sie meinen Vortrag beurteilen, und ich bitte Sie, auch nur nach diesen Gesichtspunkten verfahren zu wollen. Es ist vielleicht kein Zufall, wenn die Hamburger Organisation gerade in diesem Augenblick, vor Beginn des Parteitages, mit einer prinzipiellen Erklärung an die Öffentlichkeit tritt. Ich meine, dass heute eine Partei existieren muss, dass sie eine Notwendigkeit ist im Interesse der Weiterführung der Revolution; lediglich das Begnügen mit einer prinzipiellen Erklärung würde heute bedeuten die Sanktionierung der Formlosigkeit, wo es jedem Mitgliede ermöglicht wird, seine Prinzipien zu verfechten und durchsetzen zu wollen, ohne sich um eine Einheitlichkeit der Organisation bekümmern zu brauchen. Wenn ich jetzt zum Thema selbst komme, so möchte ich feststellen, dass wir in Berlin durchaus nicht etwa immer auf dem schroffen Standpunkt gestanden haben gegenüber der Hamburger Richtung, wie er jetzt vielleicht zum Ausdruck kommt. Während des Kampfes mit dem Spartakusbund haben wir alles getan, um auch den Hamburger Genossen gerecht zu werden. Wir sind sogar weit über den Rahmen dessen gegangen, was wir eigentlich hätten tun dürfen. Wir haben Laufenberg und Wolffheim in einer Zeit verteidigt, wo sie vom Spartakusbund verleumdet worden sind.4 Wir haben es für unsere Ehrenpflicht gehalten, ihnen beizustehen mit Argumenten, die vielleicht nicht ganz unserer Überzeugung entsprochen haben. Wenn nun dieses Thema überhaupt zur Sprache gekommen ist, und wenn die Diskussion so heftige Formen angenommen hat, so trifft die Schuld nicht die Berliner Organisation, die sich die größte Reserve auferlegt hat. Wenn Sie unsere Zeitung verfolgen bis auf den heutigen Tag, so werden Sie fast gar nichts finden, was als aggressiv gegen die Hamburger Richtung gedeutet werden könnte. Erst in dem Augenblick, wo von Hamburg aus das Thema erneut und in verschärfter Form in die Partei geschleudert wurde, erst da haben wir klar und unzweideutig unsere Stellung präzisiert, die sich deckt mit der Auffassung der gesamten 3. Internationale. Ich möchte die Frage stellen: Worin liegt denn eigentlich der Schwerpunkt des Hamburger National-Kommunismus? Ich glaube, man kann bei der Hamburger Richtung zwei Epochen unterscheiden; die erste charakterisiert sich wohl durch die Schrift: „Revolutionärer Volkskrieg oder konterrevolutionärer Bürgerkrieg“ und die zweite beginnt etwa mit dem Zeitpunkt der Gründung unserer Partei. Als die erste kommunistische Adresse an die Öffentlichkeit gelangte, war mir von vornherein klar, dass hier ein Weg eingeschlagen werden sollte, der die Bahn des Sozialismus zu verlassen geeignet war.5 Wir haben alle geglaubt, dass die Tendenzen nach und nach unter der Einwirkung der politischen Situation, weltpolitischen Lage mehr und mehr wieder verschwinden mussten. Ja, ich möchte sogar den seltsamen Fall mitteilen, dass, als das Lüttwitz-Unternehmen6 in die Erscheinung trat, der Genosse Wendel7 ganz spontan erklärte: „Nun ist der National – Bolschewismus für mich endgültig erledigt“. Ich sage, wir hatten einmal diese Hoffnung. Wir sahen uns darin getäuscht. Es kam zur Gründung der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands. Auf dem Gründungsparteitag wurde, dessen werden Sie sich erinnern, eine programmatische Erklärung angenommen, dass jeder national eingestellte Bolschewismus abgelehnt werde. Diese Erklärung ist auch in der Hamburger K.A.Z. zum Abdruck gekommen, aber die entscheidende Stelle wurde nicht veröffentlicht. Als die Dinge diese Wendung einschlugen, und als schließlich die Schrift „Kommunismus gegen Spartakismus“ erschien, die meiner Auffassung nach eine glatte Kapitulation des wissenschaftlichen Sozialismus bedeutet, als ferner Artikel nach Artikel in der Hamburger K.A.Z. erschienen, in denen man immer deutlicher in einer ganz bestimmten Richtung vorging, in denen man versuchte, das Proletariat für Dinge zu engagieren, die in der Richtung der Konterrevolution gelegen haben, da müsste hier eine restlose Abgrenzung erfolgen. Worin besteht nun der Schwerpunkt des Hamburger Standpunktes? In der ersten kommunistischen Adresse wird im wesentlichen Stellung genommen zu den Problemen des Versailler Vertrages und ich muss hier anerkennen, dass Laufenberg und Wolffheim das Verdienst haben, gerade zu diesem Punkte wirklich klar und deutlich gesagt zu haben, was zunächst dazu gesagt werden muss: dass er unter keinen Umständen akzeptiert werden kann. In diesem Punkte waren wir uns einig. Das muss hervorgehoben werden, weil der Spartakusbund inzwischen eine Politik eingeschlagen hat, die auch in diesem Problem reformistisch – opportunistischen Charakter aufweist. Hier erkennen wir Laufenberg und Wolffheim das Verdienst zu, dass sie in diesem Punkte erklärt haben, der Versailler Vertrag ist ein Bollwerk der internationalen Konterrevolution. Er bedroht nicht nur das deutsche Proletariat, sondern er untergräbt und unterminiert auch bereits die Voraussetzungen einer künftigen sozialistischen Produktionsweise in Deutschland. Das Verdienst, dies erkannt zu haben, haben auch wir anerkannt. Wir haben auch in derselben Weise in dem Berliner K.A.Z. das Problem behandelt. Die größte Frage steht: Wie denken sich die Hamburger Genossen die Aufhebung des Versailler Friedensvertrages? Und hier kommen wir schon auf eines der Hauptprobleme des Hamburger Kommunismus überhaupt. Wenn ich von richtigen Voraussetzungen ausgehe, so glaube ich sagen zu dürfen, dass die Genossen Laufenberg und Wolffheim bei der Erklärung der Notwendigkeit einer Annullierung des Friedensvertrages und bei ihrer Stellungnahme, wie die Aufhebung erfolgen soll, sich etwa von folgenden Gesichtspunkten haben leiten lassen: Sie gehen davon aus, dass die notwendige Voraussetzung der Auseinandersetzung mit dem Ententekapital nicht die Frage von Verhandlungen sein kann, sondern dass diese Auseinandersetzung die erste Voraussetzung des Kommunismus in Deutschland bedeutet. Sie gehen ferner davon aus, dass mit Rücksicht auf die gewaltige technisch-industrielle Überlegenheit der Entente das deutsche Proletariat vor einer gewaltigen Aufgabe stehen würde, wenn es vor die Entscheidung gestellt wird, den Kampf mit dem Ententekapital aufzunehmen. In dieser Erwägung sind sie zu der Schlussfolgerung gelangt, dass das deutsche Proletariat wohl nicht aus eigener Kraft heraus imstande sein würde, dieser Aufgabe gerecht zu werden. Weil sie nicht das nötige Vertrauen in die Kraft des deutschen Proletariats zu setzen vermögen, darum kokettieren sie heute mit dem Gedanken, die Aufhebung des Versailler Friedensvertrages nicht allein mit dem Proletariat, sondern gemeinsam mit der Bourgeoisie durchführen zu wollen. Was ist dazu zu sagen? Die Hamburger berufen sich sehr häufig auf das Beispiel der russischen Sowjetregierung. Auch Russland hat heute an seiner Spitze Generale und hohe Offiziere stehen. Man soll doch nicht vergessen, dass Russland, während es den Krieg mit der Entente geführt hat, gleichzeitig auch den Bürgerkrieg im Innern geführt hat und dass man nicht daran gedacht hat, einen Brussilow8 zu engagieren, bevor nicht das Bürgertum in Russland als Klasse durch den Bürgerkrieg erledigt war. Ich sagte, die Hamburger Genossen verweisen auf das Beispiel von Russland. Sie haben noch andere Momente, die für ihre Stellungnahme gegenüber dem Versailler Friedensvertrag maßgebend sind. Wir machen ihnen auch gar nicht zum Vorwurf, dass sie überhaupt dieses Problem zur Diskussion gestellt haben, im Gegenteil. Wir lehnen nur die Art und Weise ab, wie dieses Problem in die Debatte gestellt worden ist, dass im Mittelpunkt der Hamburger Politik steht, dass man den revolutionären Volkskrieg gegen die Entente als das Wesentlichste bezeichnet hat. Bevor ich aber darauf eingehe, muss ich noch folgendes feststellen. Die Hamburger Genossen haben, in dem sie dieses Problem so sehr in den Vordergrund rückten, sich von einem bestimmten Gesichtspunkt aus leiten lassen. Sie sehen nur eine einzige politische und historische Entwicklung für den Fortgang der Weltrevolution als möglich an. Sie gehen davon aus, dass Deutschland den Mittelpunkt der Weltrevolution bildet, was auch wir akzeptieren. Wir haben immer den Gedanken klar formuliert, dass die deutsche Revolution notwendig vorwärts geführt werden muss, wenn die Weltrevolution überhaupt zum Siege gelangen soll. Darauf brauche ich nicht einzugehen. Ob aber die Geschichte auch wirklich diesen Weg einschlagen wird und muss, das ist die große Frage. Wer garantiert uns denn dafür, dass Deutschland das Land ist, in dem die Revolution zuerst zum Ausbruch kommt? Ich könnte mir den Fall denken, dass in Italien, wo die Dinge reif sind, der Ausbruch der proletarischen Revolution unter Umständen früher kommen kann. Auch Deutsch-Österreich, der Balkan könnt e eines Tages in Flammen stehen. Es wäre auch möglich, dass da oder dort sich eine neue revolutionäre Bewegung bemerkbar macht. Alles das sind Möglichkeiten, mit denen ein Politiker rechnen muss, der niemals erklären darf, dass die Geschichte nur diesen einen Weg, wie er sich ihn nun gerade einmal ausgedacht hat, einschlagen kann. Alle diejenigen, die im Kriege gewesen sind und in Frankreich Gelegenheit gehabt haben, mit französischen Sozialisten zu sprechen, werden mir zugeben, dass die Hauptsorge der französischen Sozialisten der deutsche Militarismus gewesen ist. Sie würden schon losschlagen, wenn es nicht der deutsche Militarismus wäre, der im Hintergrund stände. Wenn wir heute in Deutschland eine entschiedene Klassenkampf- Politik reißen würden und zeigen würden, dass das deutsche Proletariat gewillt ist, mit der Bourgeoisie zu brechen, dann wird auch die Bewegung in Frankreich ein rascheres Tempo einschlagen. Und hier mache ich den Hamburger Genossen den Vorwurf, dass sie durch ihre Tendenzen den Entwicklungsprozess der revolutionären Bewegung, speziell in Frankreich, in der gemeingefährlichsten Weise gehemmt haben. Mir sind Artikel aus französischen kommunistischen Zeitungen zu Gesicht gekommen, in denen auch dort bereits die Befürchtung ausgesprochen wird, dass die Hamburger Tendenzen unter Umständen in der K.A.P.D. die Oberhand gewinnen könnten. Dass nichts so sehr geeignet sein würde, die Weltrevolution in ihrem Laufe aufzuhalten, als die Frage des Nationalkommunismus, kann keinem Zweifel unterliegen. Frankreich würde sagen, dass nun die alte bürgerliche Gesellschaft unter der Flagge des Kommunismus das Regiment weiterführen darf, um mit Hilfe deutscher Kommunisten die revolutionäre Bewegung in Frankreich mit eiserner Faust niederzuschlagen. Ich sagte, dass dieser sogenannte revolutionäre Volkskrieg in den Mittelpunkt der Hamburger Politik gerückt ist, jener Volkskrieg, der nach der Ergreifung der proletarischen Macht in Frage kommen kann. Wer in diesem Punkte den Hamburgern irgendwelche Konzessionen zu machen geneigt gewesen ist, wird durch die letzten Artikel wohl belehrt worden sein, dass man sich in Hamburg nicht mehr damit begnügt, den sogenannten revolutionären Volkskrieg nach Ergreifung der proletarischen Macht zu propagieren, sondern darangeht, den nationalen Aufstand bereits in der heutigen Situation zu propagieren, dass man offen die Partei der Konterrevolution zu der seinen macht. Da stellen wir die Frage: Wie ist es möglich, dass Kommunisten zu einer solchen Stellungnahme gelangen können? Bevor ich auf die Frage der Nation, auf dieses Hauptproblem, näher eingehe, muss ich noch einige Bemerkungen über die Art und Weise machen, wie sich die Hamburger Genossen den Krieg gegen das Ententekapital eigentlich denken, unter welchen Voraussetzungen er geführt werden soll. Sie wissen ja, dass sich in der ersten kommunistischen Adresse die Wendung befindet, dass unter der Voraussetzung, dass die deutsche Bourgeoisie sich der neuen kommunistischen Ordnung unterwirft, ein sogenannter revolutionärer Burgfrieden Platz greifen soll. (Zuruf: Ist nicht der Fall!) Dann müsste jetzt eine neue Ausgabe erschienen sein. In dem mir vorliegenden Exemplar steht das klar und deutlich. Ich kann die Stelle ja auch verlesen. Hier steht: „Unter der Voraussetzung, dass die Bourgeoisie die vom Proletariat vollzogene Machtergreifung anerkennt, wäre die proletarische Diktatur an der Aufrichtung eines revolutionären Burgfriedens für die Zeit des Krieges nach außen nicht minder interessiert wie im umgekehrten Verhältnis weiland Wilhelms II.“ Was bedeutet ein solcher revolutionäreren Burgfrieden? Er bedeutet, dass man den positiven Gedanken des Sozialismus zurückstellt gegenüber dem Gedanken der gemeinschaftlichen Verteidigung Deutschlands gegenüber der Entente. Das wesentliche der Hamburger Gedankengänge ist nicht, dass wir jetzt den Kommunismus verteidigen, sondern das Deutschland als neu geschaffene Nation, die mit der Machtergreifung des Proletariats erst ihren Ausdruck erhält. Es ist die Rede, und nicht nur einmal, von dem Kampf gegen die Fremdherrschaft, der aufgenommen werden muss im Augenblick des revolutionären Burgfriedens mit der Bourgeoisie. Was bedeutet dieser Kampf? Nichts anders, als dass alle diejenigen nationalistischen Instinkte im Proletariat der Ententeländer entfesselt werden, auf die sich der Sozialismus der alten Sozialdemokratie stützen kann, wenn er mit demselben Nationalismus antworten sollte. Ich möchte hinweisen auf die augenblickliche Situation, auf den Polenkrieg. Wenn Russland heute sich eine gewisse Beschränkung Polen gegenüber auferlegt, so tut es das auch nicht zuletzt in der Befürchtung, dass ein allzu aggressives Vorgehen gegen Polen das polnische Volk in den nationalistischen Taumel hineinreißen würde. Das ist es auch, was wir gegenüber diesem Standpunkt betonen müssen. Aber nicht nur, dass der Gedanke des revolutionären Burgfriedens dem Nationalismus alle Ventile öffnet, etwas Schlimmeres noch kommt in Frage: Unter welchen Voraussetzungen wohl würde sich die deutsche Bourgeoisie veranlasst sehen können, ihrerseits von einem Bürgerkrieg gegen die proletarische Diktatur Abstand zu nehmen? Stellen Sie sich einmal die Situation klar vor Augen. In Deutschland ist das Proletariat zur Macht gelangt, das deutsche Proletariat sieht sich vor der Notwendigkeit, seine errungene Position gegenüber dem Ententekapital zu verteidigen. In dieser Situation erklärt sich die deutsche Bourgeoisie angeblich bereit, für die proletarische Diktatur mitzukämpfen gegen das Ententekapital. Welche politische Bedeutung hätte wohl ein solcher Krieg des deutschen Proletariats gegenüber dem Ententekapital? Welches politische Ziel würde ein solcher Krieg, der ja von den Hamburger Genossen als Klassenkampf bezeichnet wird, wohl verfolgen müssen? Er könnte sich doch, als Klassenkampf gedeutet, nicht damit begnügen, den Kommunismus in Deutschland zu verteidigen, er müsste vielmehr das große Ziel verfolgen, auch den Kapitalismus in den Ententeländern zur Niederwerfung zu bringen. (Zuruf: Sehr gut). Sonst wäre es ja nur ein Krieg, der mit rein negativen Zielen geführt würde. Wenn man diesem revolutionären Kriege eine solche Bedeutung beimisst, so muss er auch ein positives Ziel haben, und zwar das Ziel, den Kommunismus auch in die Ententeländer zu tragen. Wenn die Hamburger von dieser Voraussetzung ausgehen, sollte man dann wohl vom deutschen Bürgertum erwarten, dass es sich neben der Niederwerfung seiner selbst, neben der Ausschaltung des deutschen Kapitalismus noch engagieren ließ für die restlose Vernichtung des Weltkapitals? (Sehr gut!) Dass es sich gebrauchen ließ für die vollständige Aufrichtung des Weltkommunismus? Etwas Derartiges von der deutschen Bourgeoisie erwarten zu wollen, geht wohl doch nicht an. Man soll seinen Gegner nicht für so dumm halten, dass er an seinem eigenen Selbstmord arbeitet. Was bedeutet es, wenn man auf der einen Seite den Gedanken des revolutionären Volkskrieges vertritt und andererseits den Bürgerkrieg in jener Situation für konterrevolutionär erklärt, und alles tut, um den Gedanken des Bürgerkrieges zu diskreditieren? Wir wissen wohl alle, dass wir nicht begeisterte Anhänger des Bürgerkrieges sind. Wir wären wohl alle herzlich froh, wenn man den Kommunismus auf möglichst unblutige Weise verwirklichen könnte. Welche Bedeutung hat der Bürgerkrieg? Es kann sich für uns nicht darum handeln, ob wir den Bürgerkrieg für schädlich oder nützlich halten, für uns steht die Frage so: Kommen wir ohne Bürgerkrieg zum Sozialismus? Kommt man ohne Kampf zum Sieg? Wir sagen, es wird der größte Bürgerkrieg sein, den die Weltgeschichte je gesehen hat. Ohne mich weiter über die Notwendigkeit oder die Nützlichkeit dieses Gegenstandes aufhalten zu wollen, möchte ich lieber untersuchen, aus welchen Ursachen und Gründen heraus die Stellungnahme gegenüber dem revolutionären Volkskrieg und dem revolutionären Burgfrieden von Seiten der Hamburger erfolgt. Ich musste eigentlich hier zurückgehen auf das, was in Hamburg während des Krieges geschrieben worden ist. Es würde mir widerstreben, darauf einzugehen, und ich würde es auch unterlassen, wenn die Hamburger nicht selbst sich auf ihre Stellung während des Krieges berufen haben würden, auf ihre Stellung gegenüber der Politik des Spartakusbundes es, der die Soldaten zum Verlassen der Front aufgefordert hatte, die Hamburger nennen das die Erdolchung der Front. Hier machen sie dem Spartakusbund gerade das zum Vorwurf, was sein Hauptverdienst bedeutet, dass er dem konterrevolutionären Instrument der deutschen Armee wenigstens versuchsweise das Genick gebrochen hat. Ich könnte Ihnen hier verschiedene Stellen zitieren, verzichte aber darauf. Wir berufen uns nicht auf Lenin, wenn es denn doch geschieht, so nur darum, weil die Hamburger sich fälschlicherweise auf ihn berufen haben. Lenin steht in dieser Frage vollkommen auf unserem Standpunkt. Man sollte doch einem Paul Levi nicht die Heldenrolle zumuten, die man ihm zugemutet hat. Levi war doch nur der junge Mann der Rosa. Wenn es in den Angriffen immer Levi heißt, so glaube ich, dass diese Angriffe gar nicht Levi gelten, sondern vielmehr Liebknecht und Rosa Luxemburg, die eben diese Politik des Spartakusbundes, die notwendige Zertrümmerung des imperialistischen Heeres, zu der ihrigen gemacht haben.9 Wie ist es möglich, dass Laufenberg und Wolffheim überhaupt in diesen Dingen eine so total verschiedene Auffassung von der unsrigen bekunden? Wenn wir uns so fragen, so kommen wir damit auf das Kernproblem des Hamburger Kommunismus überhaupt. In der Schrift „Kommunismus gegen Spartakismus“ wird es offen zugegeben, dass man in Hamburg die Nation zum Ausgangspunkt der Politik erhebt, dass man also den Gedanken der Nation für den wichtigsten hält, der maßgebend sein soll für die Politik des deutschen und des internationalen Proletariats. Wie steht es damit? Ich möchte erinnern, dass die feudalistische Geschichtsperiode von Nation in ihrem Bewusstsein sehr wenig aufzuweisen hatte. Der Feudalismus kannte nicht diese geschlossenen Nationalstaaten, wie sie nachher im Laufe der Geschichte zur Verwirklichung gelangt sind. Ich erinnere nur an das deutsche Mittelalter; nichts war da, was irgendwie auf die Entwicklung einer nationalen Geschlossenheit und Einheit damals schon hinweisen könnte. Ich erinnere an die Kämpfe in Italien, die zwischen den einzelnen Oligarchien stattgefunden haben, und erst in der Entwicklung des Kapitalismus, im Auftauchen des Bürgertums in der Geschichte zeigt sich die Tendenz nationaler Einigung und Freiheit. Die große revolutionäre Bewegung des 17. Jahrhunderts in England und die große französische Revolution 1789, sie stellen als den Abschluss der gesamten revolutionären Bewegung die Begründung einheitlicher Nationalstaaten fest. Wir ersehen daraus, dass die Errichtung der Nation eine Angelegenheit, und zwar eine ureigene Angelegenheit der bürgerlichen Welt gewesen ist. Aus der Errichtung der Nationalstaaten, die eine Notwendigkeit war im Interesse der kapitalistischen Produktionsweise, weil der Kapitalismus für seine Entfaltung großer einheitlicher Wirtschaftsgebiete bedurfte, zeigte sich im Bewusstsein der Völker die erste Regung des Nationalismus. Die große Tat des französischen Bürgertums bestand eben in der Erklärung als Nation. Das aber ist ein Moment, das ausschließlich bürgerlichen Charakter trägt. Wie stellt sich nun das Proletariat gegenüber dem Gedanken der Nation? Das ist unsere Frage. Sie beschäftigt nicht nur uns jetzt, sie hat auch den Sozialismus in seinem Anfangsstadium beschäftigt und zwar noch ganz anders als heute, allerdings jenen Sozialismus, den wir als den wissenschaftlichen bezeichnen, der von Marx und Engels begründet ist. Die beiden Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus haben sich sehr eingehend mit diesem historischen Problem befasst. Sie sind mit Leidenschaft eingetreten für die Einheitsbestrebungen Italiens, Deutschlands, Polens usw. Aber sie haben es getan aus dem Gesichtspunkt, dass die nationale Einigung ein historisch fortschrittliches Moment bedeutet. Sie haben es getan in jenen Zeiten, wo eben der Kapitalismus erst in den Anfängen seiner Entwicklung war, wo die Schaffung nationaler Staaten die Voraussetzung werden musste, damit das Proletariat auf den Plan der Geschichte treten könnte. Eine andere Frage ist die, ob für uns heute dieser Gedanke noch eine Rolle spielen darf. Die Zeit der nationalen Einheits- und Freiheitsbestrebungen war meines Wissens mit dem Jahre 1871 für Westeuropa abgeschlossen. Von diesem Zeitpunkt an sehen wir in Westeuropa – und Deutschland muss dazu gerechnet werden – bereits, wie der Kapitalismus mehr und mehr dazu kommt, die nationalen Schranken zu durchbrechen mit seiner Kolonialpolitik, wir sehen, wie der Gedanke des Imperialismus auf die Tagesordnung gesetzt wird. Alle kapitalistischen Länder treiben von jetzt an imperialistische Politik. Der Kapitalismus zeigt die Tendenz, dass er über die nationalen Schranken hinausweist, dass er große Wirtschaftssyndikate bildet, die sich gar nicht mehr um die nationalen Tendenzen kümmern. Wenn das Bürgertum heute kein Interesse besitzt für diesen Nationalismus, wenn es ohne jeden Skrupel zur Tagesordnung übergeht, um seine wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen, wieviel weniger hat dann das Proletariat ein Interesse dar an, sich in irgendeiner Weise für den Nationalismus zu engagieren? (Zuruf: Sehr richtig!) Wir stehen heute, weltpolitisch betrachtet, in einer Situation, die zweifellos einer Entscheidung zutreibt. Die Existenz der russischen Regierung nötigt das Ententekapital immer wieder, seine Truppen gegen Russland anstürmen zu lassen. Es nötigt auch das internationale Proletariat, restlos einzutreten für den internationalen Klassenkampfgedanken. In einer Situation, in der es sich nicht mehr darum handelt, dass die englische Arbeiterklasse sich in Lohnstreitigkeiten einlässt, sondern wo sie heute bereits vor die Aufgabe gestellt ist, Weltpolitik zu treiben, in einer Situation, wo das Weltkapital sich absolut einheitlich organisiert gegen das internationale Proletariat, können und dürfen wir nicht die wahnsinnige Politik des Nationalismus treiben. Ich sage, das ist konterrevolutionär, wie es nicht schlimmer gedacht werden kann. (Zuruf: Wo steht denn das? Erneuter Zuruf: Bei Marx) Wer das nicht glaubt, braucht sich nur die letzten Nummern der Hamburger K.A.Z. anzusehen. (Zuruf: Welche Artikel?) Jeden Artikel! Wenn wir das Thema Nation behandeln, so ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir nicht daran denken, die Existenz der Nation zu leugnen. Das ist uns nicht eingefallen, und ist nirgendwo geschrieben worden. In der Broschüre „Nation und Internationale“ ist gesagt worden, dass auch noch Rassenprobleme existieren können.10 Durch ein Dekret können solche Fragen nicht erledigt werden, auch nicht durch Parteitagsbeschlüsse. Wir denken nicht daran, auf diesem Wege Probleme lösen zu wollen. Aber der Parteitag hat eine klare Stellung einzunehmen. Ich sagte, dass wir niemals die Existenz der Nation verleugnet haben. Darum aber handelt es sich auch gar nicht, sondern vielmehr darum, ob man das Moment der Nation heute zum Gegenstand proletarischer Politik macht. Dagegen legen wir Verwahrung ein. Indem man heute das Moment Nation in die Debatte wirft, macht man die ganze Arbeit des Sozialismus zunichte. Es war soweit, dass sich das Proletariat dessen bewusst war, dass es international sei. Es sagte sich, wir haben gemeinsame Interessen gegen den Kapitalismus. Durch solche Momente wird diese Arbeit wieder sabotiert und es werden die nationalen Tendenzen erst recht dadurch in ihrer ganzen besonderen Stärke zur Entwicklung gebracht. Dagegen verwahren wir uns entschieden. Hat denn der wissenschaftliche Sozialismus, zu dem wir uns noch bekennen, seine Stellung gegenüber der Nation auch so verfochten, wie die Hamburger es heute tun? (Zuruf W. (Wolffheim)- Hamburg: Jawohl!) Ich bin anderer Auffassung. Marx und Engels haben gewiss das nationale Moment berücksichtigt, heute aber darf es keine Rolle mehr spielen. Vielleicht kann mir jemand sagen, ob in der gesamten Literatur davon die Rede gewesen ist, dass man das Moment der Nation zum Hauptfaktor der proletarischen Politik machen soll. (Zuruf H. (Happ) – Hamburg: Das Kommunistische Manifest!) Das Manifest fängt damit an, dass jede Geschichte die Geschichte von Klassenkämpfen ist. Gerade Marx hat diesen Gedanken gegenüber dem Utopismus so scharf erkannt. Worin besteht denn überhaupt die Entwicklung von der Utopie zur Wissenschaft? Der Utopismus wurzelt in dem Gedanken, dass man glaubt, die Bourgeoisie, das Bürgertum durch die Argumente der Gerechtigkeit und der Moral überzeugen zu können für die Idee des Sozialismus, dass eine Interessengemeinschaft besteht zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie. Da sind es Marx und Engels, die den scharfen Klassenkampfgedanken prägen. Er bildet den Grundsatz des wissenschaftlichen Sozialismus. Natürlich gibt es von Natur aus Nationen. Das ist selbstverständlich. Wir behaupten nur, dass der Gedanke des Klassenkampfes weit stärker werden muss als der Gedanke der Nation, dass er den nationalen Rahmen sprengen muss, wenn das Proletariat zum Siege gelangen will. (Zuruf W. (Wolffheim) – Hamburg: In der logischen Fortentwicklung!) Wenn sich Laufenberg und Wolffheim darauf berufen, dass man anknüpfen müsste an den Punkt der Geschichte, wo das Bürgertum nicht weiter gelangt ist, also an den Punkt, wo die deutsche bürgerliche Revolution an einem Haltepunkt angelangt war, wenn wir heute verpflichtet sein sollen diesen Gedanken zu Ende zu führen, dann ist das purer Unsinn. Es ist unhistorisch gedacht. Die Geschichte hat ja bewiesen, dass sie andere Wege eingeschlagen hat. Der Imperialismus hat bewiesen, dass das Bürgertum gar nicht mehr daran denkt, in Nationalismus zu machen.11 Deshalb schon kann gar nicht die Verpflichtung bestehen, die verunglückte bürgerliche Revolution von 1848 weiterzuführen. Ich komme zum Schluss. Heute, in einer Situation, in der alles darauf ankommt, den Gedanken des internationalen Klassenkampfes so scharf wie möglich zu formulieren, wo Sowjetrussland vom Ententekapital bedroht ist, wo das internationale Proletariat eine einheitliche Front schließen muss, um der gewaltigen Macht des Weltkapital eine ebenso gewaltige Macht des internationalen Proletariats entgegen zu stellen, müssen wir rücksichtslos alle diejenigen Tendenzen bekämpfen, die geeignet sein könnten, das Proletariat von seinem Wege abzulenken. Das Proletariat darf heute unter keinen Umständen wieder dahin gebracht werden, dass es auch nur den Gedanken eines Kompromisses mit dem Bürgertum verficht. Zwischen dem absterbenden Kapitalismus und der Entwicklung der proletarischen Revolution gibt es keinerlei Kompromisse. Hier gibt es nur den Kampf bis zur Entscheidung. Darum halte ich es und meine Berliner Freunde für eine Notwendigkeit, dass wir gegenüber dem Nationalkommunismus eine klare Stellungnahme verfolgen. Es muss klar entschieden werden darüber, was als Kommunismus zu verstehen ist und was nicht. Die Partei befand sich bei ihrer Gründung vor einer so glänzenden Situation. Überall strömten uns die Massen zu. Wir hatten alle Aussichten, die Partei gut zu organisieren. In diesem Augenblick überraschte man uns aus Hamburg mit diesem Streitobjekt: Kommunismus gegen Spartakismus. Das hat uns mehr geschadet, als wir heute noch aufzubauen in der Lage sein werden. Darum ist es eine Notwendigkeit, dass dieser Streit ausgefochten wird bis zur letzten Konsequenz. Das Verkehrteste wäre, dass man sich wieder auf einen faulen Kompromiss einigt. Wenn wir das tun, werden wir die Kämpfe wieder von neuem erleben. Die Partei als solche muss klar aussprechen, wie sie zu diesen Dingen steht. Sie muss ein Programm annehmen, sie muss Richtlinien aufstellen, die entweder angenommen werden oder aber nicht. Etwas Positives muss festgelegt werden. Und dann muss hier ausgesprochen werden, dass alle diejenigen, die sich dann zum Programm nicht bekennen wollen, innerhalb er Partei nichts mehr zu suchen haben.

1) Karl Otto Paetel (23. November 1916 – 4. Mai 1975) war ein nationalistischer Publizist und Querfrontstratege. Aus der Bündischen Jugend kommend arbeitete er eng mit Ernst Jünger und der reaktionären Zeitschrift „Die Kommenden“ zusammen, gründete Anfang der 30er Jahre die „Gruppe Sozialrevolutionärer Nationalisten“ und die Zeitschrift „Sozialistische Nation“ und verfasste 1933 das sog. „Nationalbolschewistische Manifest“. Paetel unterhielt Verbindungen mit Ernst Niekisch und trat in einer Reihe kitschiger Traktate als Apologet des Nationalbolschewismus hervor.

2) Die KAPD war im April 1920 von der linkskommunistischen Strömung gegründet worden, die sich den opportunistischen Direktiven Moskaus in der Parlaments-und Gewerkschaftsfrage wiedersetzt hatte und deshalb aus der KPD ausgeschlossen wurde. Sie verstand sich als strikt antiparlamentarische Organisation denunzierte die Gewerkschaften als bürgerliche Apparate und verteidigte internationalistische Positionen.

3) Arthur Goldstein wurde 1887 in Lipine (Lipny) in Schlesien geboren. Er trat 1914 der SPD, dann der USPD und schließlich dem Spartakusbund bzw. der KPD bei. Gemeinsam mit Herman Gorter verfass-te er den Programmentwurf der KAPD und gehörte ihrer Leitung an. Später war er in der rätekommu-nistischen Gruppe „Rote Kämpfer“ aktiv, die 1931/32 von ehemaligen Mitgliedern der sog. „Essener Richtung“ der KAPD ins Leben gerufen worden war. Nach der Machtübernahme der Nazis organisierte er im Pariser Exil die Auslandsleitung der „Roten Kämpfer“. Während der deutschen Besatzung von der SS verhaftet, wurde Goldstein im Juni 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

4) Gemeint sind die Auseinandersetzungen innerhalb der KPD über den Parlamentarismus und die Politik der „Wiedereroberung der Gewerkschaften“.

5) Goldstein bezieht sich auf ein in der Hamburger KAPD-Zeitschrift veröffentlichtes programmatisches Grundsatzdokument Laufenbergs und Wolffheims. Gemeint ist der Kapp-Putsch gegen die Regierung der Weimarer Republik am 13 Mai 1920.

6) Friedrich Wendel (12. Mai 1886 – 8. März 1960) der gemeinsam mit Goldstein dem Exekutivkomitee der KAPD angehörte. Später war er im sozialdemokratischen „Bücherkreis“ tätig und engagierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Kieler SPD.

7) Alexej A. Brussilow (19. August 1853-17. März 1926) war ein russischer Militär. Nach Ausbildung bim Pagenkorps, Laufbahn als Kavallerieoffizier. Im Russisch-Türkischen Krieg hochdekoriert. Während des Ersten Weltkrieges kommandierender General der Kavallerie an der Südwestfront. Von Juni bis September 1916 war er für eine großangelegte Offensive gegen die Mittelmächte verantwortlich, die die verbündeten Truppen an der Westfront entlasten sollte. Im Verlauf dieser sog. Brussilow-Offensive konnten den Verbänden der k.u.k Armee schwere Verluste zugefügt, und Rumänien zum Kriegseintritt gegen auf Seiten der Entente gebracht werden. Dies bezahlten jedoch schätzungsweise 1,5 Millionen russischer Soldaten mit dem Leben. Die Folge war eine zunehmende Demoralisierung der zaristischen Armee und in letzter Konsequenz die Februarrevolution von 1917. Im Mai 1917 wurde Brussilow von Kerenskij zum Oberkommandierenden ernannt und schließlich von L. Kornilow abgelöst. Nach der Oktoberrevolution verhielt er sich politisch indifferent. Gegen Ende des Bürgerkrieges trat er in die Rote Armee ein und war als Militärberater u.a. in der Roten Reiterarmee Semjon Budjonnyis tätig.

9) Wolffheim und Laufenberg lehnten die Antikriegspropaganda des Spartakusbundes und die Aufrufe zur Desertion in den letzten Jahren Kriegsjahren als „Vaterlandsverrat“ ab und plädierten im Rahmen des von ihnen propagierten „Volkskrieges“ für einen Burgfrieden mit der Bourgeoisie.

10) Diese Formulierung mag aus heutiger Sicht befremdlich klingen das das reaktionäre Konzept der „Rasse“ mittlerweile eindeutig wissenschaftlich widerlegt ist. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass Goldstein in seiner Schrift „Nation und Internationale“ die rassistischen Implikationen des von Laufenberg und Wolffheim propagierten deutschen Nationalismus klar erkannte: „Der Hamburger Kommunismus hat eins bisher unterlassen: die Definition dessen, was er unter Nation eigentlich versteht. Diese letzte Konsequenz ist im Interesse der allgemeinen Klärung notwendig. Und wir zweifeln nicht, dass der nächste und letzte Schritt auf das problematische Feld rassenbiologischer Hypothesen führen wird, weil der historische Rückzug in die bürgerliche Welt mit dem Rückzug auf die „Grundlagen des XIX. Jahrhunderts“ identisch ist. Noch einen Schritt weiter und wir werden es erleben, den Kapitalismus zum Rassenproblem degradiert zu sehen. Wer einmal die schiefe Ebene des Nationalismus betritt, ist rettungslos verloren. Wir sprechen es offen aus: Der Hamburger Nationalismus ist eine Gefahr für die proletarische Revolution.“

11) Was natürlich nicht bedeutet, dass heutzutage die Ideologie des Nationalismus an Brisanz und Gefährlichkeit eingebüßt hat. Goldstein wollte lediglich betonen, dass die Epoche in der das Proletariat nationale Kämpfe unterstützen konnte unwiderruflich vorbei ist.

Tuesday, April 11, 2017