Der Angriff der USA in Bagdad

Lasst uns einen Blick durch die medialen Nebelschwaden werfen und zur Sache kommen. Der amerikanische Angriff in Bagdad, bei dem zehn Menschen, darunter Qassem Suleimani, ein starker Mann des iranischen Regimes, getötet wurden, wirft eine Reihe von Problemen auf, auf die wir präzise Antworten geben sollten, auch wenn wir uns vorerst nur auf bruchstückhafte Informationen stützen können.

  1. Das Ziel des amerikanischen Angriffs war Suleimani, ein führender Schiit und Chef der iranischen al Quds Brigaden. Nach Angaben des Pentagons ist er nicht nur für viele militärische Aktionen gegen die USA verantwortlich, sondern auch der Strippenzieher des jüngsten Angriffs auf die US-Botschaft in Bagdad. Er galt somit als die mächtigste politische und militärische Figur der Regierung in Teheran. Es handelt sich also nicht um irgendeine alte Vergeltungsmaßnahme, sondern um ein gezieltes Attentat mit dem Ziel, einen hochrangigen politischen Gegner auszuschalten, eine Art Warnung an den Iran, um die amerikanischen Absichten in der Golfregion deutlich zu machen.
  2. Der amerikanische Angriff erfolgte inmitten einer tiefen sozialen Krise sowohl im Irak als auch im Iran. In jüngster Zeit wurden diese beiden Länder mit einer schiitischen Bevölkerungsmehrheit von Aufständen gegen ihre jeweiligen Regierungen erschüttert. Diese waren eine Folge der Krise, die zu einer Verschlechterung der Bedingungen für die Arbeiterklasse und die Bevölkerung im Allgemeinen führte. Begleitet wurde sie von zunehmender Korruption, die eine massive Unzufriedenheit hervorrief. Die Antwort war brutale Repression, die alle betraf, besonders jedoch jene proletarischen Segmente, die für bessere Löhne auf die Straße gingen. In beiden Ländern war Suleimani der Architekt dieser gewalttätigen Reaktion, da er gewissermaßen als fünfte Kolonne für das Regime der Ayatollahs fungierte. In Anbetracht solche sozialen Umwälzungen gab es keinen besseren Zeitpunkt für Trump, sowohl einen erklärten Widersacher als den Iran als solches anzugreifen. Es ist kein Zufall, dass in Bagdad einige Demonstranten das Ende des iranischen Schlächters begrüßten, als sich die Nachricht vom Tode Suleimanis verbreitete.
  3. Über diese spezifische Episode hinaus ist der amerikanische Angriff ein Signal an die schiitische Koalition, die sich von der libanesischen Hisbollah bis zum jemenitischen Houthi, von den Irakern und der Hamas (die zwar nicht schiitisch ist, aber gegen den Staat Israel und damit den wichtigsten Verbündeten der USA in der Region vorgeht) und nicht zuletzt Russland erstreckt, das neben dem Iran das gesamte Bündnis zusammenhält. Die Botschaft ist, dass die USA immer noch im gesamten Nahen Osten präsent sind. Sie beabsichtigen keineswegs, die Region aufzugeben, wie oft fälschlicherweise behauptet wird. Vielmehr ist die Trump-Administration bereit, nach Belieben zuzuschlagen, auch ohne die Zustimmung des Kongresses.
  4. Hinter der Ermordung von Suleimani verbirgt sich ein komplexes Szenario, das zusammen mit der unlösbaren internationalen Wirtschaftskrise alle politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Widersprüche, allen voran die Ölkrise, verstärkt. Seitdem die USA eine autarke Energieversorgung entwickelten und dazu übergingen, ihre Gas- und Ölexporte zu fördern, hat sich ihr Horizont zu erweitern begonnen. Diejenigen, die früher Verbündete waren, weil sie Öl in die USA exportierten, sind nun zu Konkurrenten geworden (wie Saudi-Arabien). Diejenigen, die früher keine Lieferanten waren, sind aufgrund entgegengesetzter strategischer Ziele zu Gegnern geworden, die es zu bekämpfen gilt. Zu dieser Kategorie gehört zweifellos der Iran. Seine strategische Position neben Russland und China macht ihn zum ersten Ziel der amerikanischen imperialistischen Ambitionen am Golf. Darüber hinaus ist der Angriff auf den Iran, eine indirekte, aber ernste Warnung an die gesamte russisch geführte Koalition.
  5. Als vorläufige Schlussfolgerung können wir sagen, dass dieses schwerwiegende Ereignis in Bagdad einen weiteren tragischen Schritt in Richtung einer möglichen militärischen Eskalation in der gesamten Region darstellt. Eine iranische Reaktion auf die US-Provokation ist absehbar. Der iranische Präsident hat bereits mit ernsthaften Vergeltungsmaßnahmen gedroht. Die Pasdaran (Revolutionsgarden) haben sich bereit erklärt, sich einem möglichen amerikanischen Angriff zu stellen. Russland wird dabei sicherlich nicht tatenlos zusehen. Es kann nicht zulassen, dass Trump die Beziehungen zwischen den Mitgliedern seiner Koalition untergräbt. Es kann ebenso wenig zulassen, dass die amerikanischen imperialistischen Machenschaften seine Gaslieferungsgeschäfte mit Europa beeinträchtigen und dass sein wichtigster Verbündeter, sowohl politisch als auch im Hinblick auf das Öl, ungestraft angegriffen wird. Russland kann auch nicht gegenüber dem, stillschweigenden Abkommen zwischen der Türkei und den USA bezüglich des Einmarschs von Erdogans Armee in Syrien gleichgültig bleiben, welches Washington im Hinblick auf den Iran und dem Irak freie Hand gab. Ganz zu schweigen von der Besorgnis Moskaus über das ständige Zaudern und die Veränderungen in der türkischen Regierungspolitik in Bezug auf Syrien, die Krise im Irak und im Libanon, Irak und der Verstrickungen in Rojava.
  6. Befinden wir uns also auf dem gefährlichen Weg zu einem offenen Weltkonflikt, bei dem sich die beiden imperialistischen Großmächte an der Spitze ihrer jeweiligen Verbündeten gegenüberstehen, oder befinden wir uns "nur" in einer gegenwärtigen, beunruhigenden militärischen Eskalation, die eine wichtige Region in Brand setzen könnte, ohne ihre politischen Grenzen zu überschreiten? Offensichtlich können wir im Moment keine endgültige Antwort geben. Doch unabhängig davon ob nun in absehbarer Zeit die schlimmste oder weniger schlimme Option zustande kommt, besteht die Aufgabe der kommunistischen Revolutionäre darin, den Aufbau der internationalen revolutionären Partei zu intensivieren, um einen Dritten Weltkrieg zu vermeiden, bzw. zu verhindern, dass Millionen von Proletariern als Kanonenfutter für diese oder jene imperialistische Macht verheizt werden. Es geht darum, dem internationalen Proletariat einen politischen Bezugspunkt zu geben, eine politische Waffe aus dem globalen Schlachthaus des Kapitalismus, der zerstören muss, um sich wieder aufzubauen, der angreifen und töten muss, um sich in einer immer technologischeren fortgeschrittenen Welt am Leben zu halten. Angesichts der sich ausbreitenden Armut und einer drohenden ökologischen Katastrophe wird das Damoklesschwert solange über dem Kopf der Arbeiterklasse schweben, bis dieser Kopf zu dem Entschluss kommt, dass es endlich genug ist. (F.D.)
Monday, January 6, 2020