Die vier Boten des kapitalistischen Verfalls

Der Kapitalismus - das gegenwärtige Gesellschaftssystem, welches auf Privateigentum, Lohnarbeit und Profitwirtschaft basiert - steht an einem Wendepunkt. Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass die gegenwärtigen Produktionsverhältnisse zu Fesseln geworden sind, die die Menschheit daran hindern, sich den dringenden Problemen zu stellen, mit denen der ganze Planet konfrontiert ist. Da der Kapitalismus nicht in der Lage ist, seine eigenen Widersprüche zu lösen, treibt er uns immer weiter in die Barbarei.

1. Krise

Von Anfang litt der Kapitalismus unter zyklischen Schwankungen. Phasen des Booms und der Krise lösten sich ab. In dem Maße wie die Akkumulation von Kapital im neunzehnten Jahrhundert anstieg, brauchte es immer größere Krisen, um die Rentabilität wiederherzustellen. Heute befinden wir uns in der dritten strukturellen Akkumulationskrise des Kapitalismus, die in den 1970er Jahren begann (1). Seitdem haben wir eine Reihe von periodischen Kriseneinbrüchen erlebt: Die Schuldenkrise in den 80er Jahren, die Dot-Com-Blase zur Jahrtausendwende, den Finanzcrash 2007/8 und jetzt den Börsencrash 2020. Immer hat die herrschende Klasse auf Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen unserer Klasse als unvermeidliche Lösung gesetzt. So werden auch dieses Mal Billionen von Dollar in die Märkte gepumpt, um sie im Zombie-Modus weiter zu treiben. Die hastige und unorganisierten Schließung von Arbeitsstätten und die stattfindenden Massenentlassungen waren völlig vorhersehbar. Gleichzeitig ist das Gesundheitssystem aufgrund jahrzehntelanger Kürzungen massiv unterbesetzt. Mit wenig Personal und ohne die grundlegendste Ausstattung steht es am Rande des Zusammenbruchs.

2. Klima

Das unerbittliche kapitalistische Profitstreben ohne Rücksicht auf die sozialen und ökologischen Folgen hat zu einer weltweiten Entwicklung der Produktivkräfte geführt, allerdings der Umwelt erheblichen Schaden zugefügt. Die industriellen und landwirtschaftlichen Revolutionen haben die Grundlagen für die moderne Welt geschaffen und uns theoretisch die Fähigkeit gegeben, Nahrung und Unterkunft für alle Menschen zu bieten. Doch praktisch sieht es anders aus. Treibhausgasemissionen, Entwaldung, Bodenzerstörungen, Massentierhaltungen und Umweltverschmutzung verursachen nach wie vor beispiellose Schäden nicht nur an der Tierwelt, sondern auch am menschlichen Leben (2). In Ländern wie Nigeria, Südsudan, Somalia und Jemen stehen 30 Millionen Menschen am Rande einer Hungersnot oder sind bereits akut von einer solchen bedroht. Selbst bürgerliche Institutionen gehen jetzt davon aus, dass bis 2050 143 Millionen Menschen als Klimaflüchtlinge gelten werden. Jedes Jahr sterben Millionen Menschen vorzeitig durch die schmutzige Luft. Ebenso führen Bluthochdruck, Diabetes und Fettleibigkeit zu immer mehr Todesopfern- allesamt verschlimmert durch Lebensstile, die von Unternehmen gefördert werden, die versuchen, Gewinne zu erzielen, was immer die Folgen für diejenigen am unteren Ende der sozialen Leiter auch sein mögen. Und dies sind nur einige der Konsequenzen, die sich aus dem verzerrten Verhältnis der Menschheit zur Natur im Kapitalismus ergeben.

3. Infektionen

In der Geschichte haben Pest und Seuchen die Widersprüche innerhalb der Produktionsweisen verstärkt ( Bspw. trug der sog „Schwarze Tod“ zum Niedergang des Feudalismus bei; die Spanische Grippe, die durch den Ersten Weltkrieg verschärft wurde, heizte das Feuer der revolutionären Welle von 1917-21 an). Dasselbe geschieht jetzt. Die Art und Weise, wie ein bestimmtes System mit den Folgen solcher Ausbrüche umgeht (oder auch nicht), sagt uns eine Menge. Gegenwärtig wird die Coronavirus-Pandemie eher als Ursache denn als Symptom der Krise angeführt (3). Aber sollten wir überrascht sein, dass eine Gesellschaft, die ständig die Umwelt untergräbt, egoistischen Individualismus gegenüber kollektiver Verantwortung fördert, Massen von Arbeiterinnen und Arbeitern weltweit zu Armen macht und die Gesundheitsversorgung einschränkt, ein ausgezeichneter Nährboden für eine solche Situation ist?

4. Konflikt

Der Kapitalismus hat bereits zweimal eine Lösung für seine strukturellen Akkumulationskrisen im Weltkrieg gefunden, die das Kapital massiv abgewertet und die Rentabilität wiederhergestellt haben. Obwohl das Coronavirus die Ereignisse Anfang dieses Jahres überschattet hat, wie der Konflikt zwischen USA und dem Iran(4) oder den andauernden Krieg in Syrien (der nun schon über 9 Jahre dauert und etwa eine halbe Million Menschenleben gefordert hat), ebbt der Drang zum Krieg nicht ab. An der politischen Front geben sich die USA und China jeweils die Schuld am Ausbruch des Coronavirus, an der wirtschaftlichen Front führen Saudi-Arabien und Russland einen Ölpreiskrieg, an der militärischen Front haben die Türkei und Russland eine kurze Pause in ihrem Konflikt in Syrien eingelegt. Inzwischen ist die Pandemie zu einer Gelegenheit geworden, die Grenzen und das tägliche Leben zu militarisieren, die Fremdenfeindlichkeit anzustacheln und die Wirtschaft in Richtung kriegsähnlicher Maßnahmen umzustrukturieren.

Es ist noch nicht vorbei

Es wird nur noch schlimmer werden. Selbst wenn es den Staaten gelingt, mit dem gegenwärtigen Börsencrash und der Pandemie fertig zu werden - ohne in einen allgemeinen imperialistischen Konflikt zu verfallen -, was für eine Welt wird am anderen Ende entstehen? Es gibt einige Optionen. Auf der einen Seite gibt es die Reformer, die den Kapitalismus retten wollen - dazu schlagen sie eine Reihe von Abhilfemaßnahmen vor, wie das universelle Grundeinkommen, den "Green New Deal" oder die sog. „quantitative Lockerung für die Menschen“.(4) Auf der anderen Seite gibt es die Reaktionäre, die um jeden Preis an den Dingen festhalten wollen, wie sie sind - und dazu sind sie bereit, auf malthusianische Lösungen der Bevölkerungskontrolle und des Teilens und Herrschens zu setzen. Ob sich nun das eine oder das andere, oder eine Mischung aus beidem durchsetzt, solange der Kapitalismus fortbesteht, ist mit weiteren und größeren Krisen zu rechnen. Es gibt nur eine gesellschaftliche Kraft, die in der Lage ist, die Menschheit aus diesem Schlamassel herauszuführen und eine neue Gesellschaft aufzubauen, in der die Produktion auf menschliche Bedürfnisse ausgerichtet ist und in der wir die dringenden Probleme, denen sich der ganze Planet gegenübersieht, auf kollektive Weise angehen können: Die ArbeiterInnenklasse, die ausgebeutete Klasse ist die Quelle allen Wertes für das kapitalistische Monster, ohne die sich dieses System nicht reproduzieren kann. Sie ist daher in der einzigartigen Lage, ihr Totengräber zu sein. Allmählich, nach Jahren des Schlummerns, erwacht das Klassenbewusstsein – Arbeiterinnen und Arbeiter in der ganzen Welt haben, oft „wild“ gestreikt, um dagegen zu protestieren, dass sie wie Wegwerffutter für die Profitproduktion im Rahmen der Pandemie behandelt werden.(5) So wie es aussieht, werden viele von uns weiterhin unter gefährlichen Bedingungen arbeiten oder ihre Arbeit und ihre Lebensgrundlage verlieren, in Schulden ertrinken, wochenlang in Selbstisolation verbringen, während diejenigen, die am verwundbarsten sind, voraussichtlich ihr Leben verlieren werden. Für was? Nur um im Laufe des Jahres wieder zu arbeiten und die gleichen niederen und erniedrigenden Tätigkeiten für den gleichen niedrigen oder noch weniger Lohn zu verrichten wie zuvor? Während die herrschende Klasse nach einer weiteren kurzfristigen Lösung sucht, müssen die Arbeiter ihre eigene Antwort auf die Übel dieses profitorientierten Systems finden.(Dyibas)

1) leftcom.org

2) leftcom.org

3) leftcom.org

4) Die quantitative Lockerung für die Meschen (People’s Quantitative Easing) ist ein maßgeblich von Jeremy Corbyn ins Spiel gebrachtes Programm, welches darauf abzielt durch eine Erhöhung der Geldmenge Investitionen im Wohnungsbau und öffentlichen Transport zu finanzieren.

5) leftcom.org

Sunday, March 22, 2020