Ka­pi­ta­lis­mus: Die grund­le­gen­den Wi­der­sprü­che des Sys­tems

Die ka­pi­ta­lis­ti­sche Ge­sell­schaft ist wie die ihr vor­an­ge­gan­ge­nen Skla­ven­hal­ter-​ und Feu­dal­ge­sell­schaf­ten eine Klas­sen­ge­sell­schaft, in der die herr­schen­de Klas­se von der Aus­beu­tung der un­ter­drück­ten Klas­se lebt. Die Mensch­heit hat in ihrer Ge­schich­te nicht immer in Klas­sen­ge­sell­schaf­ten ge­lebt. Eben­so wenig sind der­ar­ti­ge Ge­sell­schaf­ten in ir­gend­ei­ner Weise Aus­druck der „Natur des Men­schen“. Die IKT sieht den Ka­pi­ta­lis­mus als letz­te Form der Klas­sen­ge­sell­schaft an. Der nächs­te Schritt für die Mensch­heit be­steht in der Über­win­dung der Klas­sen­ge­sell­schaft und der Er­rich­tung einer Ge­sell­schaft, die auf der kol­lek­ti­ven Pro­duk­ti­on für Be­dürf­nis­se ba­siert. In vor­he­ri­gen Ge­sell­schaf­ten (Skla­ven­hal­ter­ge­sell­schaft, Feu­da­lis­mus) eig­ne­ten sich die Herr­schen­den das von der un­ter­drück­ten Klas­se pro­du­zier­te Mehr­pro­dukt mit Ge­walt an. Die Aus­beu­tung der Skla­vIn­nen, Leib­ei­ge­nen und an­de­ren Un­ter­drück­ten lag offen zu­ta­ge. Da­ge­gen scheint die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se im Ka­pi­ta­lis­mus ge­ra­de­zu „frei“ zu sein, – „frei“ der herr­schen­den Klas­se ihre Ar­beits­kraft „frei­wil­lig“ auf dem Ar­beits­markt zu ver­kau­fen. Wie Marx in sei­nen Ana­ly­sen der ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­sell­schaft auf­zeig­te, ver­kauft die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se ihre Ar­beits­fä­hig­kei­ten, bzw. Ar­beits­kraft tat­säch­lich an die Bour­geoi­sie. Diese Ar­beits­kraft er­zeugt durch die Be­tä­ti­gung von Ma­schi­nen und Roh­stof­fen einen grö­ße­ren Wert als zu ihrer Re­pro­duk­ti­on not­wen­dig ist. Durch die­sen grund­le­gen­den Me­cha­nis­mus wird Mehr­wert aus der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se aus­ge­presst. Die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se be­kommt nur einen Teil des Wer­tes, den ihre Ar­beit schafft in Form von Lohn zu­rück. Den ver­blei­ben­den Teil eig­nen sich die Ka­pi­ta­lis­ten an und ver­wen­den die­sen nach ei­ge­nem Er­mes­sen. Egal, ob sich die Pro­duk­ti­ons­mit­tel in den Hän­den pri­va­ter Ei­gen­tü­mer oder in den Hän­den des Staa­tes be­fin­den, es ist die­ser an­ge­eig­ne­te Mehr­wert, der die Quel­le des ka­pi­ta­lis­ti­schen Pro­fits dar­stellt. Die­ser Pro­zess voll­zieht sich welt­weit und die Pro­fi­te wer­den unter der glo­bal agie­ren­den herr­schen­den Klas­se nach dem An­teil des in­ves­tier­ten Ka­pi­tals der je­wei­li­gen Sek­to­ren der Bour­geoi­sie auf­ge­teilt. Hier­bei ist erst ein­mal un­er­heb­lich, ob das be­sag­te Ka­pi­tal nun di­rekt Ar­bei­te­rIn­nen aus­beu­tet, die Mehr­wert pro­du­zie­ren oder nicht. Damit der Ka­pi­ta­lis­mus funk­tio­nie­ren kann, muss die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se jeder Ver­fü­gungs­ge­walt über die Pro­duk­ti­ons­mit­tel be­raubt sein. Sie ist eine ei­gen­tums­lo­se Klas­se, die al­len­falls über ihre Ar­beits­kraft ver­fügt, und keine an­de­re Wahl hat als diese den Ka­pi­ta­lis­ten zu ver­kau­fen. Der zen­tra­le Wi­der­spruch des Ka­pi­ta­lis­mus ist der ge­sell­schaft­li­che Cha­rak­ter der Pro­duk­ti­on und der Kon­trol­le der Pro­duk­ti­ons­mit­tel durch die herr­schen­de Klas­se. Diese Ver­fü­gungs­ge­walt wird nicht dazu ge­nutzt, um ge­sell­schaft­li­che Be­dürf­nis­se zu be­frie­di­gen, son­dern um Pro­fi­te zu ge­ne­rie­ren und Ka­pi­tal zu ak­ku­mu­lie­ren. Das Ziel der ka­pi­ta­lis­ti­schen Pro­duk­ti­ons­wei­se ist die Pro­fit­ma­xi­mie­rung. Das ka­pi­ta­lis­ti­sche Sys­tem wird al­len­falls dann mensch­li­che Be­dürf­nis­se be­frie­di­gen, wenn die­ses pro­fi­ta­bel er­scheint. Im Ka­pi­ta­lis­mus geht es nicht darum, Dinge zu pro­du­zie­ren die nütz­lich sind, son­dern Waren, die zu einem grö­ße­ren Pro­fit ver­kauft wer­den kön­nen.

Der Pro­fit, den der je­wei­li­ge Ka­pi­ta­list ein­streicht, misst sich un­ge­fähr am Durch­schnitt der Ge­samt­heit des Mehr­werts der aus der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se aus­ge­presst wurde. Wenn der Wert des in­ves­tier­ten Ka­pi­tals und die Ar­beits­pro­duk­ti­vi­tät an­s­tei-​gen kommt es zu einem ten­den­zi­el­len Fall die­ser durch­schnitt­li­chen Pro­fi­tra­te.

Die Ka­pi­ta­lis­ten sind per­ma­nent ge­zwun­gen ihre Pro­duk­ti­ons­mit­tel zu re­vo­lu­tio­nie­ren, um zu ver­su­chen sich einen zeit­wei­li­gen Vor­teil ge­gen­über ihren Kon­kur­ren­ten zu si­chern, bzw. einen grö­ße­ren An­teil des welt­wei­ten Mehr­werts ein­zu­heim­sen. Sie müs­sen einen Teil ihres Mehr­werts in neues kon­stan­tes Ka­pi­tal in­ves­tie­ren, um die Lohnar­beit un­ein­ge­schränk­ter aus­zu­beu­ten zu kön­nen.

Wäh­rend ei­ni­ge Ar­bei­te­rIn­nen ent­las­sen wer­den, wird die Aus­beu­tung, bzw. „die Pro­duk­ti­vi­tät“ der an­de­ren er­höht. Das er­mög­licht es einem ka­pi­ta­lis­ti­schen Un­ter­neh­men, seine ei­ge­ne Pro­fi­tra­te über die durch­schnitt­li­che zu heben. Die durch­schnitt­li­che Pro­fi­tra­te ist durch das Ver­hält­nis von Mehr­wert zu der Ge­samt­heit des in­ves­tier­ten Ka­pi­tals be­stimmt. Die Stei­ge­rung des kon­stan­ten Ka­pi­tals zu Las­ten des va­ria­blen Ka­pi­tals (der mensch­li­chen Ar­beits­kraft) führt zu einer hö­he­ren or­ga­ni­schen Zu­sam­men­set­zung des Ka­pi­tals (d.h. des Ver­hält­nis­ses von kon­stan­tem zu va­ria­blem Ka­pi­tal). Weil Mehr­wert nur von le­ben­di­ger Ar­beit ge­schaf­fen wer­den kann, schmä­lert dies die Pro­fi­tra­te der Ka­pi­ta­lis­ten. Das be­deu­tet nicht, dass die tat­säch­li­che Pro­fit­mas­se au­to­ma­tisch ab­nimmt, son­dern dass der Ka­pi­ta­lis­mus als Gan­zes eine ten­den­zi­ell fal­len­de Pro­fi­tra­te durch­läuft.

Die Ka­pi­ta­lis­ten ver­su­chen auf ver­schie­de­ne Weise dem ent­ge­gen­zu­wir­ken wie bspw.:

- Die Er­hö­hung der Ar­beits­pro­duk­ti­vi­tät durch eine ef­fi­zi­en­te­re Pla­nung und Kon­trol­le des Pro­duk­ti­ons­pro­zes­ses.

- Die Aus­wei­tung und Ver­län­ge­rung der Ar­beits­zeit.

- Das Sen­ken und Drü­cken der Löhne

- Das Her­un­ter­fah­ren von In­ves­ti­tio­nen in Be­triebs­an­la­gen etc.

Die­ser Pro­zess führt zu einem Kon­kur­renz­kampf zwi­schen den Ka­pi­ta­lis­ten, der letzt­end­lich pe­ri­odi­sche Kri­sen des ka­pi­ta­lis­ti­schen Sys­tems her­vor­bringt. Wenn schwä­che­re (und ge­ne­rell klei­ne­re) Ka­pi­ta­lis­ten fest­stel­len, dass sie un­ge­nü­gend Mehr­wert ein­heim­sen, um ihre In­ves­ti­tio­nen mit neuem Ka­pi­tal aus­zu­stat­ten, gehen sie ent­we­der zu­grun­de oder wer­den von stär­ke­ren Ri­va­len über­nom­men. Das ge­schah im 19. Jahr­hun­dert in re­gel­mä­ßi­gen, un­ge­fähr zehn­jäh­ri­gen Ab­stän­den. Die Krise führ­te zu einer Ent­wer­tung von Ka­pi­tal und so zu einer Ab­nah­me der or­ga­ni­schen Zu­sam­men­set­zung des Ka­pi­tals, was es dem über­le­ben­den Ka­pi­tal er­laub­te den Ak­ku­mu­la­ti­ons­pro­zess wie­der zu be­gin­nen und aus­zu­wei­ten. Die ka­pi­ta­lis­ti­sche Pro­duk­ti­on wurde immer mehr kon­zen­triert und zen­tra­li­siert. Die Suche nach bil­li­gem Roh­stof­fen und In­ves­ti­tio­nen in we­ni­ger ent­wi­ckel­ten Ge­bie­ten (d.h. Orten mit einer ge­rin­ge­ren or­ga­ni­schen Zu­sam­men­set­zung des Ka­pi­tals) glich den Fall der Pro­fi­tra­te aus. Fer­ner dehn­te sie den Welt­markt aus und in­ter­na­tio­na­li­sier­te die ka­pi­ta­lis­ti­sche Pro­duk­ti­ons­wei­se; bis sich an der Schwel­le des 19ten zum 20ten Jahr­hun­dert eine Welt­wirt­schaft her­aus­ge­bil­det hatte.

Der Im­pe­ria­lis­mus

Gegen Ende des 19. Jahr­hun­derts be­gann der ka­pi­ta­lis­ti­sche Wett­be­werb neue For­men an­zu­neh­men. Die Pro­duk­ti­on wurde in stei­gen­dem Maße von rie­si­gen ka­pi­ta­lis­ti­schen Mo­no­po­len und fi­nanz­ka­pi­ta­lis­ti­schen Groß­kon­zer­nen do­mi­niert. Diese wach­sen­de Kon­zen­tra­ti­on und Zen­tra­li­sa­ti­on des Ka­pi­tals, die durch den Klas­sen­kampf ver­ur­sach­ten so­zia­len Pro­ble­me und die Not­wen­dig­keit na­tio­na­les Ka­pi­tal zu ver­tei­di­gen, führ­te vom spä­ten 19. Jahr­hun­dert an zu einer Ten­denz der zu­neh­men­den staat­li­chen Re­gu­la­ti­on der ka­pi­ta­lis­ti­schen Wirt­schaft. (Zoll­gren­zen stie­gen enorm in den letz­ten 2 Jahr­zehn­ten des 19. Jahr­hun­derts an). Die ka­pi­ta­lis­ti­sche Kon­kur­renz be­weg­te sich von der Ebene des Be­trie­bes auf die zwi­schen Na­tio­nen. In dem Maße wie er in die Re­gu­lie­rung der Na­tio­nal­öko­no­mie hin­ein­ge­zo­gen wurde, setz­te der Staat in stei­gen­dem Maße auf mi­li­tä­ri­sche Ge­walt um die Roh­stoff­quel­len und Märk­te zu er­schlie­ßen. Der Ka­pi­ta­lis­mus be­weg­te sich in die Epo­che des Im­pe­ria­lis­mus hin­ein. Im­pe­ria­lis­mus ist ein Sta­di­um, wel­ches der Ka­pi­ta­lis­mus er­reicht, wenn die or­ga­ni­sche Zu­sam­men­set­zung des Ka­pi­tals so hoch ist, dass der Zu­gang zu bil­li­gen Roh­stof­fen sowie der Ka­pi­tal­ex­port in Län­der mit einer ge­rin­ge­ren or­ga­ni­schen Ka­pi­tal­zu­sam­men­set­zung grund­le­gend ist um die Pro­fi­tra­te in den ka­pi­ta­lis­ti­schen Zen­tren auf­zu­rich­ten. Somit ist Im­pe­ria­lis­mus nicht nur ein­fach eine Po­li­tik, die die Ka­pi­ta­lis­ten je nach Gut­dün­ken ab­än­dern kön­nen. Ur­sprüng­lich wurde Im­pe­ria­lis­mus durch die Er­rich­tung von Zoll­schran­ken und das Stre­ben nach Ko­lo­ni­en, einen “Platz in der Sonne“ cha­rak­te­ri­siert. Lenin war fest davon über­zeugt, dass die Ko­lo­ni­en einen ele­men­ta­ren Be­stand­teil des im­pe­ria­lis­ti­schen Sys­tems bil­de­ten. Er ging davon aus, dass ein Pro­zess der De­ko­lo­nia­li­sie­rung die Re­vo­lu­ti­on vor­an­trei­ben und be­schleu­ni­gen würde. Al­ler­dings hat das Ende des Ko­lo­nia­lis­mus nach dem Zwei­ten Welt­krieg in Afri­ka und Asien so etwas nicht be­wirkt. An­stel­le der alten Ko­lo­ni­al­mäch­te tra­ten nicht nur neue im­pe­ria­lis­ti­sche Su­per­mäch­te wie die USA und die UdSSR auf den Plan, son­dern auch eine neue Form des Im­pe­ria­lis­mus, den ei­ni­ge als Neo­ko­lo­nia­lis­mus be­zeich­ne­ten. Statt kost­spie­li­ger Ka­no­nen­boot­po­li­tik und mi­li­tä­ri­scher In­va­sio­nen war es für die im­pe­ria­lis­ti­schen Mäch­te nun weit­aus ef­fek­ti­ver Kre­di­te und Hilfs­gel­der zu ver­ge­ben, um ihre Macht­po­si­ti­on in der Welt­wirt­schaft auf­recht­zu­er­hal­ten und dem Auf­kom­men neuer Ri­va­len ent­ge­gen­zu­wir­ken. Die Me­cha­nis­men, die die Län­der der Me­tro­po­le an­wen­den um ihre Vor­herr­schaft zu si­chern, sind un­ter­schied­lich. Die Bour­geoi­si­en der Län­der der Pe­ri­phe­rie sind in jedem Fall ge­zwun­gen, in der be­ste­hen­den Han­dels-​ und Fi­nanza­n­ord­nung des Im­pe­ria­lis­mus mit­zu­spie­len. Die Ka­pi­ta­lis­ten in der Pe­ri­phe­rie mögen nicht den­sel­ben Zu­gang zu den glei­chen Men­gen an Ka­pi­tal haben wie ihre stär­ke­ren ka­pi­ta­lis­ti­schen Ri­va­len, aber sie sind eben­so ge­trie­ben ihre Pro­fi­te zu ma­xi­mie­ren. Wie der Rest der Welt­bour­geoi­se beu­ten sie ihr “ei­ge­nes“ Pro­le­ta­ri­at und sogar das Welt­pro­le­ta­ri­at (mit­tels Ka­pi­tal, das in west­li­che Re­gie­rungs­an­lei­hen in­ves­tiert wird, in Bank­kon­ten in Über­see hin­ter­legt wird) aus. Das zwangs­läu­fi­ge Er­geb­nis des Im­pe­ria­lis­mus ist der Krieg, d.h. die Fort­set­zung der wirt­schaft­li­chen Kon­kur­renz mit mi­li­tä­ri­schen Mit­teln. Eine öko­no­mi­sche Krise vom Typus des 19. Jahr­hun­derts ent­wer­tet nicht mehr län­ger ge­nü­gend Ka­pi­tal um einen neuen Ak­ku­mu­la­ti­ons­zy­klus in Gang zu set­zen. Nur die mas­si­ve Zer­stö­rung eines glo­ba­len Krie­ges könn­te dies be­werk­stel­li­gen. Darin liegt die wirk­li­che und ob­jek­ti­ve Auf­ga­be eines Welt­krie­ges in un­se­rer Epo­che. Die Ka­pi­ta­lis­ten ent­schei­den sich na­tür­lich nicht be­wusst für Krieg zu die­sem Zweck. Aber ab­ge­se­hen von den ver­schie­de­nen po­li­ti­schen oder stra­te­gi­schen Be­grün­dun­gen ist es die im­pe­ria­lis­ti­sche Kon­kur­renz selbst, die immer wie­der Krie­ge her­vor­bringt. Das hat zur Folge, dass der Ka­pi­ta­lis­mus nun in einem Teu­fels­kreis von Krise, Krieg und Wie­der­auf­bau ge­fan­gen ist. Die Tat­sa­che, dass Krie­ge zum ele­men­ta­ren Be­stand­teil des Sys­tems ge­wor­den sind zeigt, dass der Ka­pi­ta­lis­mus seine fort­schritt­li­che Rolle in der Ge­schich­te längst aus­ge­spielt hat.

Der Staats­ka­pi­ta­lis­mus

Mit der Ka­ta­stro­phe des Ers­ten Welt­kriegs 1914 trat der Ka­pi­ta­lis­mus in eine neue Phase ein. Die fort­schrei­ten­de Zen­tra­li­sa­ti­on und Kon­zen­tra­ti­on des Ka­pi­tals be­droh­te nun wich­ti­ge Sek­to­ren ei­ni­ger Na­tio­nal­öko­no­mi­en. Somit war der Staat ge­zwun­gen, nicht nur ex­tern (Im­pe­ria­lis­mus), son­dern auch in­tern zu in­ter­ve­nie­ren um so die schlimms­ten so­zia­len und öko­no­mi­schen Aus­wir­kun­gen des Sys­tems ab­zu­fan­gen. Die­ser Staats­ka­pi­ta­lis­mus mach­te wie der Im­pe­ria­lis­mus ver­schie­de­ne Sta­di­en durch. Der Staat be­gann nun im Pro­zess der Ka­pi­ta­l­ak­ku­mu­la­ti­on eine Rolle zu spie­len, die wäh­rend des Kon­kur­renz­ka­pi­ta­lis­mus des 19. Jahr­hun­derts noch un­denk­bar ge­we­sen wäre. In dem Maße aber, wie der ten­den­zi­el­le Fall der Pro­fi­tra­te die „Kom­man­doh­ö­hen“ der Na­tio­nal­öko­no­mi­en immer mehr be­droh­te, kam der Staats­in­ter­ven­ti­on eine immer zen­tra­le­re Be­deu­tung zu. Diese Ten­denz zum Staats­ka­pi­ta­lis­mus wurde be­son­ders durch das Schei­tern der Rus­si­schen Re­vo­lu­ti­on von 1917 her­vor­ge­ho­ben. Die Ok­to­ber­re­vo­lu­ti­on ver­sprach eine neue Ge­sell­schaft, in der die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se ihre Ge­schi­cke sel­ber in die Hand neh­men würde. An­ge­sichts der Iso­la­ti­on der rus­si­schen Re­vo­lu­ti­on auf ein ein­zi­ges Land, in dem die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se zudem eine Min­der­heit bil­de­te, er­füll­ten sich diese Hoff­nun­gen nicht. Zwar wurde Pri­vat­ei­gen­tum an den Pro­duk­ti­ons­mit­teln wei­test­ge­hend ab­ge­schafft, al­ler­dings nicht um es zu ver­ge­sell­schaf­ten, son­dern in Staats­ei­gen­tum zu über­füh­ren. Ka­pi­ta­lis­ti­sche Ka­te­go­ri­en wie Lohnar­beit, Geld und Aus­beu­tung be­stan­den wei­ter. Eine neue herr­schen­de Klas­se, die sich vor­nehm­lich aus Kar­rie­ris­ten der bü­ro­kra­ti­sier­ten kom­mu­nis­ti­schen Par­tei re­kru­tier­te, un­ter­warf das Pro­le­ta­ri­at einer bru­ta­len Aus­beu­tung. Der My­thos, dass die UdSSR “so­zia­lis­tisch“ ge­we­sen sei und dass Ver­staat­li­chung So­zia­lis­mus gleich­kä­me, war nur eine von vie­len Il­lu­sio­nen die­ser Epo­che. Nur die Kom­mu­nis­ti­sche Linke ge­lang­te zum Ver­ständ­nis, dass die UdSSR eine be­son­de­re Form des Staats­ka­pi­ta­lis­mus dar­stell­te. Die Vor­stel­lung, dass der Staat alle Ge­bre­chen des Ka­pi­ta­lis­mus lin­dern könne, führ­te nach 1945 auch im Wes­ten zu wei­te­ren Staats­in­ter­ven­tio­nen. Dies war die Zeit des sog. „Wohl­fahrts­staa­tes“, der von den Pro­pa­gan­dis­ten der herr­schen­den Klas­se zu­wei­len sogar als „Lö­sung der so­zia­len Frage“ ge­fei­ert wurde. Auch wenn der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se in die­ser Phase des Ka­pi­ta­lis­mus weit­rei­chen­de Zu­ge­ständ­nis­se ge­macht wer­den konn­ten, war der „So­zi­al­staat“ nie­mals eine Wohl­tä­tig­keits­ver­an­stal­tung, son­dern in sei­nem gan­zen Wesen ein re­pres­si­ves In­stru­men­ta­ri­um der Kon­trol­le und Do­mes­ti­zie­rung. Durch die Ver­staat­li­chung an­ge­schla­ge­ner Schlüs­sel­in­dus­tri­en ver­such­ten die füh­ren­den ka­pi­ta­lis­ti­schen Mäch­te ihr Über­le­ben zu si­chern. Als je­doch die Krise des Ak­ku­mu­la­ti­ons­sys­tems in den frü­hen 70ern wie­der auf­tauch­te, stell­te sie sich als Krise des Staa­tes dar.

Die Krise

An­fang der 70er-​Jah­re kam der durch die mas­si­ve Ka­pi­tal­ver­nich­tung des Zwei­ten Welt­kriegs in Gang ge­setz­te Ak­ku­mu­la­ti­ons­zy­klus an sein Ende. Die Krise trat 1971 mit der Ab­kopp­lung des Dol­lars vom Gold­wert offen zu­ta­ge. Zur Kom­pen­sa­ti­on der Pro­fi­tra­te setz­te das Ka­pi­tal auf Um­struk­tu­rie­rung des Pro­duk­ti­ons­pro­zes­ses (z.B. durch Ein­satz von Mi­kro­elek­tro­nik) und eine mas­si­ve Er­hö­hung der Aus­beu­tungs­ra­te. Im Zuge die­ser Um­struk­tu­rie­run­gen wur­den die in­dus­tri­el­len Kern­sek­to­ren der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se in den Me­tro­po­len gründ­lich ge­schlif­fen. Fa­bri­ken wur­den ge­schlos­sen und die Pro­duk­ti­on in Nied­rig­l­ohn­ge­bie­te in Asien und La­tein­ame­ri­ka ver­legt. West­li­ches und ja­pa­ni­sches Ka­pi­tal wan­der­te nun ver­stärkt in diese Ge­gen­den ab. Das hatte zur Folge, dass zu­min­dest in den west­li­chen Län­dern die Fa­brik als Ort der pro­le­ta­ri­schen Er­fah­rung und Aus­gangs­punkt des Wi­der­stan­des gründ­lich zer­legt wurde. Die Klas­sen­zu­sam­men­set­zung hat sich grund­le­gend ge­än­dert. Immer mehr Men­schen ar­bei­ten im Dienst­leis­tungs­sek­tor. Ob­wohl sie kei­nen di­rek­ten Mehr­wert pro­du­zie­ren, sind diese Men­schen ge­nau­so aus­ge­beu­tet wie an­de­re Ar­bei­te­rIn­nen und damit Teil der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se. Die Aus­wei­tung von Schein­selbst­stän­dig­keit und pre­kä­ren Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen stellt al­ler­dings die Ent­wick­lung des pro­le­ta­ri­schen Wi­der­stan­des vor neue Her­aus­for­de­run­gen. Ein wei­te­res Phä­no­men be­stand in der ex­or­bi­tan­ten Auf­blä­hung des Fi­nanz­sek­tors. Der durch Lohnar­beit ge­schaf­fe­ne Reich­tum wurde ver­stärkt in die Fi­nanz­sphä­re ver­scho­ben, wo auf wun­der­sa­me Weise Geld „ar­bei­tet“ ohne je­doch reale Werte zu schaf­fen. Der ten­den­zi­el­le Fall der Pro­fi­tra­te führ­te zu einer Si­tua­ti­on, in der der ein­ge­heims­te Mehr­wert nicht mehr in pro­duk­ti­ves Ka­pi­tal re­inves­tiert wurde, und statt­des­sen die Spe­ku­la­ti­on ihre Blü­ten trieb. Die­ser Ver­such des Ka­pi­ta­lis­mus der Krise durch Schaf­fung fik­ti­ver Pro­fit­quel­len zu be­geg­nen, be­scher­te ei­ni­gen Su­per­rei­chen ein­träg­li­che Ge­win­ne, führ­te je­doch lang­fris­tig zu wach­sen­der Ver­schul­dung, ge­wal­ti­gen Spe­ku­la­ti­ons­bla­sen und zu­neh­men­der In­sta­bi­li­tät. Die Krise ist mitt­ler­wei­le zur längs­ten Krise seit der Gro­ßen De­pres­si­on von 1873-​96 ge­wor­den. Wie vor­an­ge­gan­ge­ne Kri­sen ist sie von Mi­ni­booms und noch tie­fe­ren Ein­brü­chen ge­kenn­zeich­net. Sie bil­det die Grund­la­ge für im­pe­ria­lis­ti­sche Ri­va­li­tä­ten, wach­sen­de Kon­kur­renz und wech­seln­de Bünd­nis­kon­stel­la­tio­nen in denen jeder ver­sucht die Last der Krise auf an­de­re ab­zu­wäl­zen. Bis jetzt ist es der herr­schen­den Klas­se ge­lun­gen so­wohl ein­schnei­den­de so­zia­le Er­he­bun­gen als auch einen voll­stän­di­gen Zu­sam­men­bruch des Sys­tems zu ver­hin­dern. Dies al­ler­dings zum Preis wach­sen­der Staats­ver­schul­dung, die das ganze Sys­tem zu spren­gen droht. Die Not­wen­dig­keit aller Staa­ten, diese Ver­schul­dung zu re­du­zie­ren führt zu ver­schärf­ten Kür­zun­gen von Sub­ven­tio­nen sowie Bil­dungs-​ und So­zi­al­aus­ga­ben. Der Ka­pi­ta­lis­mus ist darin ge­schei­tert, ent­we­der mit­tels Aus­ga­ben oder Ein­spa­run­gen einen Weg aus der struk­tu­rel­len Ak­ku­mu­la­ti­ons­kri­se zu fin­den. Die ge­gen­wär­ti­ge Krise be­rei­tet eine ge­ne­rel­le­re Ka­ta­stro­phe für mor­gen vor. Wenn das ka­pi­ta­lis­ti­sche Sys­tem wei­ter­hin un­be­hel­ligt wei­ter ma­chen kann, wird die Mensch­heit ein­mal mehr in einen Welt­krieg und damit in die Bar­ba­rei hin­ein­ge­wor­fen wer­den. Kom­mu­nis­mus ist von daher nicht nur eine nette Idee, son­dern eine wirk­li­che Not­wen­dig­keit für die Mensch­heit.

Die kom­mu­nis­ti­sche Per­spek­ti­ve

Die Apo­lo­ge­ten der herr­schen­den Klas­se schla­gen ihre Hände über die Schre­cken des mo­no­po­lis­ti­schen Ka­pi­ta­lis­mus zu­sam­men, er­klä­ren aber immer wie­der, dass es keine Al­ter­na­ti­ve gäbe. Der Ka­pi­ta­lis­mus sei zwar nicht das beste, aber doch das ein­zig mög­li­che Ge­sell­schafts­sys­tem. Mar­xis­ti­sche Re­vo­lu­tio­nä­rIn­nen, die sich in ihren Ana­ly­sen auf die ge­sam­te Ge­schich­te der mensch­li­chen Ent­wick­lung und die Er­fah­run­gen der Klas­sen­kämp­fe stüt­zen, kön­nen diese Lüge auf­de­cken. Der Mensch­heit könn­ten die Schre­cken und das Elend die­ses ver­fau­len­den ge­sell­schaft­li­chen Sys­tems er­spart blei­ben – al­ler­dings nur, wenn die­ses Sys­tem über­wun­den und durch eine Ge­sell­schaft er­setzt wird, die auf der Be­frie­di­gung mensch­li­cher Be­dürf­nis­se statt auf Aus­beu­tung ba­siert. Eine sol­che Ge­sell­schaft kann nur durch eine in­ter­na­tio­na­le Re­vo­lu­ti­on der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se ge­schaf­fen wer­den. Wir nen­nen eine sol­che ge­sell­schaft­li­che Al­ter­na­ti­ve wei­ter­hin Kom­mu­nis­mus – trotz aller Ver­un­glimp­fung durch seine of­fe­nen Fein­de und die viel­fäl­ti­gen Ver­dre­hun­gen und fal­schen Aus­le­gun­gen durch jene, die unter die­sem Label ihr Un­we­sen ge­trie­ben haben. Der So­zia­lis­mus oder Kom­mu­nis­mus (für Marx waren diese Be­grif­fe Syn­ony­me) ist kein Zu­stand oder Pro­gramm, wel­ches sich per Par­tei-​ und Staats­de­kret in die Pra­xis um­set­zen ließe, son­dern eine ge­sell­schaft­li­che Be­we­gung zur be­wuss­ten Über­win­dung des Ka­pi­tal­ver­hält­nis­ses, die Ab­schaf­fung des Staa­tes, der Wa­ren­pro­duk­ti­on, des Wert­ge­set­zes. Wäh­rend vor­he­ri­ge Re­vo­lu­tio­nen le­dig­lich eine Form der Aus­beu­tung durch eine an­de­re er­setz­ten, wird die kom­mu­nis­ti­sche Re­vo­lu­ti­on die erste sein, die jeg­li­che Aus­beu­tung und Un­ter­drü­ckung ab­schafft. Als ein­zi­ge Schöp­fe­rin des ge­sell­schaft­li­chen Reich­tums kann sich die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se nur be­frei­en, indem sie alle Klas­sen ab­schafft. Der Kom­mu­nis­mus wird den ka­pi­ta­lis­ti­schen Staat zer­stö­ren und allen na­tio­na­len Gren­zen ein Ende be­rei­ten. Er wird Geld, Lohnar­beit und Wa­ren­pro­duk­ti­on über­win­den. Kom­mu­nis­mus be­deu­tet die Ab­schaf­fung der Ver­fü­gungs­ge­walt über die Pro­duk­ti­ons­mit­tel durch eine be­son­de­re Klas­se. Daher ist Kom­mu­nis­mus gleich­be­deu­tend mit der Be­frei­ung der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se aus allen For­men der Aus­beu­tung. Diese Be­frei­ung kann nur das Werk der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se sel­ber sein.

Tuesday, January 7, 2014