Zusammenbruch des Faschismus und Partisanenbewegung

Auf den Spuren der italienische Linken, zum wiederaufbau der Klassenpartei

Am ersten Juli 1942, als das wechselnde Kriegsglück noch nicht den Zusammenbruch der Achse Rom-Berlin vorauszusehen erlaubte, kündigte die 'Unità' Togliattis, zum Beweis ihrer tiefen nationalistischen Empfindungen, die Gründung des 'Comitato d'Azione per l'Unione del Popolo Italiano' ('Aktionskomitee für die Einheit des italienischen Volkes') an, einer klassenübergreifenden Organisation, die außer aus einer "Gruppe von Mitgliedern der Italienischen Kommunistischen Partei aus Elementen der Sozialistischen Partei Italiens und der Gerechtigkeits- und Freiheitsbewegung (Movimento Giustizia e Libertà)" zusammengesetzt war und deren "revolutionäres" Programm darin bestand, das Vertragsbündnis Italiens mit Deutschland zu verurteilen, für einen Separatfrieden mit England, Rußland und all den anderen, mit dem Faschismus im Krieg befindlichen Ländern zu fordern, und den Rückzug der italienischen Truppen von der russischen Front um durch sie Italien von den hitleristischen Unterdrückern zu befreien. In den folgenden Monaten präzisierte Palmiro Togliatti (eigentlich: Mario Correnti), zum italienischen Volk via Moskauer Mikrofone sprechend und voller Ehrfurcht, welcher neuen Kriegsfront sich die Italiener vertrauensvoll zuwenden sollen:

Wir müssen den Amerikanern dankbar sein, nicht nur deshalb, weil sie so vielen unserer Brüder für Jahrzehnte Arbeit gegeben haben, sondern wegen der Tatsache, daß sie diesen Menschen, die aus der Dunkelheit quasi mittelalterlicher sozialer Verhältnisse kamen, sichtbar und verständlich machten, was die moderne demokratische Herrschaft, was die Freiheit ist".

Der Rede Sinn ist klar, sie ist die Vorwegnahme des bürgerlichen und konterrevolutionären Verhaltens, daß die Italienische Kommunistische Partei (PCI) innerhalb der Partisanenbewegung in den Monaten kurz darauf einnahm.

  1. Zuerst wurde die Aufforderung öffentlich, sich nicht auf der Basis der Erfahrung der Oktoberrevolution gegen den Krieg zu organisieren, sondern lediglich die Front zu wechseln und sich auf die Seite der neuen, demokratischen, Alliierten zu schlagen.
  2. Anerkennung der imperialistischen Intervention Amerikas als eines progressiven Faktors nicht nur zu Kriegszeiten, sondern auch in der Aufbauperiode in zahlreichen industriell fortgeschrittenen Ländern.
  3. Gleichsetzung der Freiheit mit den politischen Vorstellungen der bürgerlichen Demokratie.
  4. Definitive Aufgabe des revolutionären Strebens nach der proletarischen Diktatur.

Es gibt nichts neues unter der Sonne: die Partei Gramscis und Togliattis, praktisch ausgelöscht durch die Ausnahmegesetze von 1926, bemühte sich den Faden wieder aufzunehmen auf der Basis dessen, was in fünzehnjähriger Anpassung an die Konterrevolution herangereift war. Klassenversöhnlerei, die Verteidigung des demokratischen Staates und die darausfolgenden taktischen Konsequenzen wohnten bereits in den 20er-Jahren den theoretischen Überlegungen die Einheitsfront und die Arbeiterregierungen betreffend inne. Die einzige Neuheit bestand in der Tatsache, daß die PCI sich dies nun zu eigen machte ohne dies äußern zu können, während sie gleichzeitig versuchte diese Linie in der Praxis umzusetzen. Mit dieser Taktik und diesen strategischen Zielen versuchte sich die PCI an das Proletariat wie das Italienische zu wenden, daß, in den kommenden Monaten seine Feindschaften gegenüber dem Krieg, in den Fabriken wie auf dem Land, zum Ausdruck bringen wird. Im März 1943, in der kurzen Zeitspanne des offiziellen Falls des Faschismus, rührte sich das Industrieproletariat. In der nördlichen Industriezone, vor allem in der Region Piemont, verschränkten fast zweihunderttausend Textil-, Chemie- und Metallarbeiter die Arme zum Protest gegen Krieg, gegen den Faschismus, den sie überdrüssig waren, gegen die Kriegsproduktion und der damit verbundenen Hungerlöhne. (1)

Die Bedeutung dieser Vorkommnisse geht sicher über die Teilnehmermenge hinaus. Wenn man die Streiks bei Fiat im Oktober 1942 beiseiteläßt, so bedeuten die Streiks im März 1943 eine erste und wichtige Episode der Wiederaufnahme des Klassenkampfs nach fast 20-jähriger fast absoluter Ruhe. Außerdem erwartete die Arbeiteroffensive sehnsüchtigst die Vorboten des politisch-organisatorischen Zusammenbruchs der italienischen Gesellschaft. Mit der Herrschaftsübernahme in Sizilien durch die Anglo-Amerikaner und deren Bereitschaft, die ganze Halbinsel aufzurollen stürzte die faschistische Bretterbude zusammen. Die Palastverschwörung brach die letzte Verbindung die sie zu Mussolini noch unterhielt ab. Hinter dem Antrag des faschistischen Exministers Grandi, auf einer stürmischen Sitzung des Gran Consiglia (Großer Rat) vorgelegt, sammelten sich die Kräfte die zu retten versuchten, was noch zu retten war: weg mit dem Faschismus und Rückkehr zur Monarchie, raus mit Mussolini und her mit Badoglio. Aber die von dem offiziellen Fall des Faschismus zur Flucht der Krone nach Brindisi, nach dem Waffenstillstand mit den Alliierten, reichende Periode eröffnete eine Pattsituation, in welcher die gesellschaftlichen Kräfte und Institutionen unter dem Gewicht der Ereignisse zusammenbrachen. Vom Faschismus blieben die um die 'Republica Sociale Italiana' zusammengetragenen Scherben; die Badoglio-Regierung konnte für autonome Initiativen nicht die nötige politische Autorität aufbringen; die Monarchie konnte in Italien nicht als Referenzpunkt dienen, da sie zu diskreditiert war. Die Situation wurde noch verschärft durch das äußerliche und innerliche Auseinanderfallen der Armee. Hunderttausende Arbeiter, Bauern und Volk, die gezwungen gewesen waren die vaterländische Uniform anzulegen, fanden sich von einem Tag auf den anderen in Auflösung, ohne Führung, ohne zu wissen wo der Kampfplatz und wer der Feind war. (2)

Wie die Streikenden das Zeichen gaben, wieviel die Ausbeutung und der Hunger im Krieg der Bourgeois wiegt, so zeigte die Fahnenflucht, wie sinnlos und unmenschlich das Sterben an der Front war, ohne zu wissen für wen und für was.

Die Bourgeoisie, und genau diejenige, die während des Faschismus gewachsen war, die für Jahre die ideologische Hülle des Faschismus wirtschaftlich auszubeuten verstand, war in diesen Monaten bekümmert, da sie über kein Ersatzinstrumentarium verfügte, noch - und vor allem - über eine Ideologie, die Massen für einen Zustand zurückzugewinnen, der es ihr erlauben würde in der postfaschistischen Periode weiterhin die herrschende Klasse zu sein.

In solchen Augenblicken hatte die Bourgeoisie nur einen gangbaren Weg zur Verfügung: zum Faschismus auf Distanz gehen, "neue" politische Kräfte organisieren, anzetteln oder ganz einfach unterstützen, die mit der Weiterführung des Kriegs auf alliierter Seite die Ausgangsbasis für ihre weitere taktische Bewegung schaffen würden; das italienische Proletariat mit einer nationalistischen, demokratischen und bürgerlichen Sichtweise bändigen, die alle Schuld auf das faschistische Regime abwälzt, mit dem Zweck, daß die befürchtete und in gewisser Hinsicht schon vorsichgehende Wiederaufnahme des Klassenkampfs kanalisiert wird in die vorbereiteten Bahnen des Antifaschismus, auf daß keine Form des antikapitalistischen Kampfes entstehe!

Andererseits, die dauernde Gegenüberstellung Freiheit-Zwang, Unabhängigkeit-Unterdrückung, Faschismus-Demokratie hatte mehr als einmal die Gelegenheit, die Auswechselbarkeit der jeweiligen zwei Faktoren unter gleichbleibenden Ausgangsbedingungen, d.h. in kapitalistischen Produktionsverhältnissen, zu zeigen. Die internationale Bourgeoisie und die italienische Bourgeoisie insbesondere, kannten die Wirkungsweise dieser Komödie gut, weil sie sie mehr als einmal aufgeführt hatte.

Außerdem muß hervorgehoben werden, wie die neue Ideologie des Antifaschismus, in der Sache praktiziert und verteidigt von den bürgerlich-demokratischen Parteikräften, also PCI, Partito Popolare, Partito d'Azione usw., sich bemühte, die Wut und Hoffnungslosigkeit gewaltiger Massen auf einen Punkt zu lenken, der praktisch nichtmehr existierte. Der Faschismus war gestürzt, und dies in der Hauptsache durch die Palastverschwörung oder die darauffolgenden Wechselfälle, durch das sich abzeichnende Ungleichgewicht zwischen den imperialistischen Streithähnen, verursacht durch den Eingriff der produktiven und also kriegerischen Fähigkeiten der Vereinigten Staaten auf Seiten der "Alliierten". Die deutsche militärische Niederlage in Rußland und Afrika, der amerikanische Vormarsch in Süditalien, die innere Krise des italienischen faschistischen Staats, das Zusammenkommen von Streiks in allen großen Industriezentren und dem unaufhaltsamen Dessertierungsphänomen, dies alles konnte die Republik von Salò nicht zu einer wirklichen Zielscheibe machen. Und dennoch hatte die Mystifikation Erfolg.

Das Fehlen einer revolutionären Kraft (3), einer wirksamen kommunistischen Strategie erlaubte es der Bourgeoisie die Pattphase, in die sie die äußeren und inneren Wechselfälle gezwungen hatten, zu überwinden und ihre faschistische Maske gegen die demokratische einzutauschen, neue politische Kräfte zu organisieren, da es andere nicht gab außer diejenigen aus der vorfaschistischen Zeit, und einem neuen ideologischen Kurs auf die Beine zu helfen, der zusammengefaßt lautet: "Alles austauschen ohne etwas zu verändern!".

So wurden Schein und Wirklichkeit vertauscht: der instinktive Haß der Massen gegen den Krieg wurde zum Haß gegen "diesen Krieg", die Wut gegen den Staat und seine Macht wurde zur Wut gegen "jenen Staat" umgelenkt, und die Kampfbereitschaft großer proletarischer Schichten wurde durch eine unendliche Reihe von Minimal- und Zwischenlösungen gebrochen. Die Hoffnung der Bourgeoisie war übrigens nicht vergebens, daß das Proletariat, die spärlichen revolutionären Minderheiten einmal an den Rand gedrängt, im Guten oder im Bösen, obwohl es reif wäre, von selbst nicht über die ersten Barrieren hinausginge oder daß so jedenfalls die Mühe zur Eindämmung leichter sei. Denn aus den theoretischen Annahmen über die allgemeinen Umstände, in denen sich die konservativen Vorhaben abspielen sollten, ergab sich mit ziemlicher Sicherheit aus den verwickelten Schwierigkeiten ihrer Umsetzung im wirklichen Leben für die italienische Bourgeoisie die Notwendigkeit einer Partei unter den anderen, die, obwohl sie akzeptierte, sich innerhalb einer politischen Strategie zur Erhaltung eines erklärtermaßen bürgerlichen Regimes zu bewegen, genug Kraft und ausreichend Kredit hatte, um dies alles in der Form "taktischer Notwendigkeiten" in die Erwartungen der Arbeiter einzuführen. Dies war zu offenbar nach Geschmack der Bourgeoisie und ihrer Berufs- oder Gelegenheitshelfershelfer, daß es auf kurz oder lang nützlich wurde derartige Richtlinien vorzuschlagen...

So geschah es, daß am 9.September 1943 der Versuch der Wiedergeburt der italienischen Bourgeoisie in der Form eines Nationalen Befreiungskomitees (CLN) Gestalt annahm, welches sich aus einer Linken und einer Rechten zusammensetzte, aber durch den antifaschistischen Geist zusammengehalten wurde.

Über die taktischen Unterschiede hinaus verteidigte die Rechte (DC, PLI, DI) die Niederschlagung des Faschismus zum Zwecke der Rückkehr zur liberalistischen Politik- und Wirtschaftswelt der vorfaschistischen Zeit ohne größere Reformen an der produktiven ökonomischen Struktur. Die Linke (PCI, PSUP, Pd'A) war nach ihrem Programm Trägerin einer scharfsinnigeren Taktik bezüglich der Notwendigkeiten der Wiederherstellung des Kapitalismus in der unmittelbaren Nachkriegszeit und zeigte die Notwendigkeit einer Reform des Agrarsektors auf, wie auch einer verstärkten Konzentration des produktiven Sektors (Nationalisierungen). Einheitlich war der Rechten wie der Linken das Mißtrauen gegenüber der Krone und der Badoglio-Regierung. Stark zusammenfassend ließe sich sagen, daß die italienische Bourgeoisie mit dem Nationalen Befreiungskomitee nicht nur die geeigneten Kräfte für die Fortsetzung des Krieges auf der andern Seite fand und damit teilweise das "Vertrauen" zurückgewann, sondern auch die politischen Faktoren der wiederentstehenden demokratischen Republik mit allem diesbezüglichen Drum und Dran. Als ob dies nicht ausreichen würde verschob sich, mit der Ankunft Togliattis aus Rußland (4) die politische Axe des CLN weiter nach rechts. Vor Togliattis Ankunft lautete die Position der KPI, wie die der restlichen 5 Parteien, im Bezug auf die Monarchiefrage wie die Aussage Scoccimarros: "Mit der Badoglio-Regierung kann es keinen Kompromiß geben". Aber eine Wende um 180°.

Auf einer Versammlung des Nationalrats der KPI, der in Neapel abgehalten wurde mit allen verfügbaren süditalienischen Führern (5), vertrat Togliatti die These der nationalen Einheitsfront gegen den Faschismus und die deutschen Invasoren, die aus allen Italienern gebildet werden sollte, vom Kommunisten bis zum Monarchisten. Was die Aufgaben und die Rolle der Partei betraf entwarf Togliatti, bewußt über den schwierigen Zustand der heimatlichen Wirtschaft, eine perspektivische Skizze:

Die neue Partei, so wie wir sie uns vorstellen, muß eine nationale italienische Partei sein, das heißt, eine Partei, die das Problem der Emanzipation der Arbeit im Rahmen unseres Lebens und der nationalen Befreiung stellt und löst und sich alle fortschrittlichen Traditionen der Nation zu eigen macht. (6)

Und damit nicht irgendwelche Zweifel bei denjenigen aufkamen, die diese politische Linie den kämpfenden Massen und den Partisanen selbst zu übermitteln hatten erklärten Togliatti und mit ihm die neugebildete Führung der Partei daß...

der Aufstand, den wir wollen nicht die Aufgabe hat politische und gesellschaftliche Änderungen im sozialistischen und kommunistischen Sinne durchzusetzen, sondern die nationale Befreiung und die Zerschlagung des Faschismus zum Ziel hat. Alle anderen Probleme werden vom Volk gelöst, morgen, sobald ganz Italien befreit ist, vermittels einer freien Volksbefragung und den Wahlen zu einer konstituierenden Versammlung. (7)

Taktik? Verrat? Opportunismus? Das alles sind Begriffe, die die wirkliche Tragweite des politischen Gehalts derartiger Erklärungen nicht wiedergeben können, weil sie sich direkt oder indirekt auf eine Partei beziehen, die noch vorgibt, kommunistisch zu sein.

Aber die PCI hatte zu dieser Zeit aufgehört zu verraten und auf opportunistische Weise zu agieren. Das Züge einer bürgerlichen Partei, die Anerkennung der wirtschaftlichen und politischen Instanzen des nationalen Kapitalismus stellten sie unwiderruflich nicht auf den rechten Flügel der Klassenbewegung, sondern auf den linken Flügel der Verteidigungsinstanzen der italienischen Bourgeoisie. Und eine bürgerliche Partei ist auch als eine solche zu kritisieren und zu verurteilen, man wirft ihr nicht taktischen Opportunismus oder, wenigstens, irgendeinen Verrat vor. Mit der Weigerung der Verfolgung der revolutionären Ziele zugunsten des nationalen Befreiungskriegs, dem Abschwören von der Diktatur des Proletariats zugunsten freier nationaler Wahlen ("...und morgen sehen wir dann weiter."), der theoretischen Ausarbeitung der außerordentlich nationalistischen Funktionen der "neuen" Partei, schien es, als wolle man die zähen Kämpfe, die die bolschewistische Partei gegen die Sozialdemokraten, die scharfe Polemik Lenins gegen den Renegaten Kautsky anläßlich der proletarischen Diktatur und parlam. Versammlung, quasi auf den Kopf gestellt wiederbeleben. (8)

Aber dafür dienten die Ideologien. In dieser Zeit wiederholte sich das ewige Spiel der Mystifikation. Für die Umsetzung der grundlegenden Richtlinien, so daß die PCI ihre Eignung für die zukünftige Verwaltung der "öffentlichen Angelegenheiten" geltend machen konnte, als Urheber oder wenigstens als "primus inter pares", war es nötig, die Massen davon zu überzeugen, daß, trotz allem, dieser Kampf ihr Kampf war; daß der Sieg der bürgerlich-demokratischen Kräfte ihr Sieg war; und daß in bestimmten schwierigen Situationen die antagonistischen Widersprüche nichtmehr unversöhnlich sind, sondern zu einer richtigen Mischung finden. Für Togliatti, wie für das alte Machtzentrum, machte es Sinn von Klassenversöhnung zu reden, von Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen Kräfte unter der Bedingung, daß die PCI, über das Treuegelöbnis zur Demokratie hinaus, ihre Fähigkeit auf die Waagschale legte, die Arbeiterklasse auf dieses Terrain zu lenken. Die Form reichte nicht aus, benötigt wurde der Inhalt. Deshalb war es nichtmehr unzulässig den Krieg zu gewinnen indem man den Nazismus übertrumpfte:

Wir wußten und konnten die Situation schnell durch eine revolutionäre Massenaktion meistern. Aber weil gerade Krieg ist, und er trotz allem unser Krieg ist, müssen wir tunlichst vermeiden, daß die mit recht von einer unerträglichen Lage aufgebrachten Massen versuchen, die Situation spontan auf eine Weise zu lösen, die die Kriegsanstrengungen beschränken könnten. (9)

Aber während das Nationale Befreiungskomitee mit der KPI an der Spitze emsig dazu überging, Stück für Stück die Grundvoraussetzungen der künftigen und nunmehr kurz bevorstehenden demokratischen Republik zu schaffen erhob das Proletariat des Nordens sein Haupt. Zwischen dem Sommer 1944 und dem Sommer 1945 gibt es ungezählte, der Beteiligung nach imposante Streiks in Sesto San Giovanni (40000), in Iodigiano (5000), in Turin (80000 das erste Mal, 50000 das zweite Mal). Den Führern der KPI jagte der Puls, aber nichtsosehr, weil diese Episoden in eine revolutionäre Richtung hätten umschlagen können, sondern weil sie den aufmerksamen Augen der Bourgeoisie ihre Unfähigkeit zum spielen der Feuerwehr bewiesen. Die Angst entsprach der Heftigkeit der Mobilisation:

Die Fabrikzellen und die verantwortlichen Genossen müssen sich in Bewegung setzen.. ..sie müssen zum Beispiel zur Arbeit und zur Disziplin anspornen. Viele haben keine Lust zu arbeiten, weil sie sagen daß sich im Grunde nichts verändert hätte, sie seien immer noch Ausgebeutete, die für die Chefs arbeiten. Ihnen muß begreiflich gemacht werden, daß ein erster und wichtiger Schritt nach vorn gemacht worden ist, daß heute alle Voraussetzungen dafür existieren, daß in Vorherrschaft völliger Freiheit und fortschrittlicher Demokratie all jene Institutionen in Betrieb gesetzt werden können, die die ersten Errungenschaften des Aufstands darstellen: das CLN, die Räte für die Verwaltung, die internen Kommissionen, und die Räume, in welchen sich eine stets verbreiternde Teilnahme an der Kontrolle der Arbeiter über die Produktion entwickelt. (10)

Und wenn dies nicht ausreichend war, falls die PCI für sich alleine nicht fähig war, die sich gestellten Aufgaben durchzuführen, hatte Togliatti noch eine weitere taktische Lösung in Reserve: mit der PSIUP eine größere und kompaktere sozialdemokratische Front zu organisieren, weil so der Sicherheitsgürtel um die Interessen des Kapitals noch umfassender wäre. Soweit kam es nicht, aber was zählt ist der Gedanke:

... müssen wir hinleiten zur Verwirklichung der Vereinigten Partei der Arbeiterklasse und der italienischen Arbeiter. Diese auf der Grundlage eines konkreten und weiten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aktionsprogramms entstehende Partei kann in einer einzigen politischen Organisation diejenigen Kräfte der Arbeiterschaft sammeln, die sich in Richtung fortschrittlicher Demokratie und Sozialismus bewegen, auch wenn sie nicht von marxistischen ideologischen Voraussetzungen aufbauen. (11)

Während man mit den anderen Linksparteien hypothetische taktische Lösungen konstruierte setzte man das Bündnis mit der Democrazia cristiana fort, die man kindisch gelegentlich als Partei der katholischen Massen definierte, gemäß der 'Unità' Trägerin "unserer eigenen Voraussetzungen" was die Agrarreform betrifft, "welche in der Notwendigkeit besteht, die feudalen Überbleibsel zu zerstören und die Erde den all die Bauern zu geben, die sie bearbeiten."

Dann setzten sie den Kriege fort, mit all seinen Problemen der Militarisierung des Bewußtseins, des Rufs zu den Waffen und den Dessertionen. Auch hier hatte es die KPI nötig sich als fähig und effizient zu erweisen:

Den zu den Waffen gerufenen Genossen müssen die Verbände empfehlen, diesem Ruf Folge zu leisten. Wenn die Genossen einwenden, daß die Organe des italienischen Militärs vollkommen reaktionär seien, daß in der italienischen Armee noch heute noch immer mit dem Faschismus verbundene Führer sind, noch immer mit Befehlsgewalt, so ist es nötig zu antworten, daß die Partei durch ihre eigenen Repräsentanten bei der Regierung um die Verbesserung dieser Situation bemüht. Andererseits ist es wichtig den Genossen zu erklären, daß je zahlreicher politisch bewußte und gesunde Elemente in das Heer eintreten, um so schwieriger sei es für die reaktionären Kräfte, sich der Armee zu ihrer Verteidigung zu bedienen, und um so leichter die Demokratisierung der Armee. Aus den gleichen Gründen darf man den aus Partisaneneinheiten stammenden und dann entwaffnet und entlassenen Genossen nicht von der Anmusterung bei der Armee abraten. (12)

Die Geburt der Internationalistischen Kommunistischen Partei

Wer dem übertriebenen demokratisierenden Eifer widersprach, mit dem die KPI allen Problemen und nicht zuletzt dem der Regierungsbeteiligung zu Leibe rückte, der bekam folgende, selbstverständlich nicht von historischer wenn nicht politischer Mystifikation freie Antwort:

Theoretisch stimmt das, was wir mit dem Eintritt in die Regierung gemacht haben teilweise, in der besonderen Lage in der wir uns heute befinden, mit dem überein was Lenin 1905 zu machen vorschlug, als er die Notwendigkeit einer sozialdemokratischen Beteiligung an der Regierung unterstützte mit dem Ziel mit allen Kräften gegen jegliche konterrevolutionären Angriffe zu kämpfen und die selbständigen Interessen der Arbeiterklasse zu verteidigen. Wie Lenin damals, so wollen auch wir die Konterrevolution bekämpfen, also den Faschismus, und nicht nur von unten, von außerhalb, sondern auch von oben, aus der Mitte der Regierung. (13)

Die Verlegenheit stach zu sehr aus dieser Antwort. Togliatti, und die Führung der Partei mit ihm, taten so als würden sie weder die Geschichtslektionen kennen, noch die Praxis des Leninismus im Bezug auf die Staatsfrage, so wie es die Oktoberrevolution faktisch aufzuzeigen verstand, daß der bürgerliche Staat, gleich in welches Mäntelchen er sich hüllte (faschistisch, demokratisch oder fortschrittlich) sich keiner taktischen Unterstützung durch das Proletariat erfreuen konnte sondern daß nur seine Zerstörung die notwendigen Bedingung zur Errichtung der proletarischen Diktatur herbeiführt. Jeder andere Weg würde sich nicht nur als ungeeignet erweisen, sondern mehr noch, öffnet der Verstärkung des "demokratischen" bürgerlichen Staats die Flanke, der verstanden wird als besseres Verteidigungsbollwerk gegen die revanchistischen Bestrebungen eines faschistischen bürgerlichen Staats und der Hand in Hand geht mit einer Verurteilung der Verfolgung einer revolutionären Lösung um dem Reformismus Platz zu machen. Die taktischen Lösungen sind, wie stets, keine für sich zu nehmenden politischen Fragen, sie können keine Lage für sich allein nehmen und so auch nicht lösen, unabhängig oder geradezu außerhalb der zu unterstützenden strategischen Vision. Jede gewählte Taktik setzt einen strategischen Entwurf voraus, wie jede Strategie taktische Momente in ihrem Zusammenhang nötig hat. Man kann kein revolutionäres Ziel mit einer reformistischen Taktik verfolgen, wie auch das Gegenteil geradezu verrückt wäre.

Die Geschichte, und nicht erst die gerade zurückliegende, hat gezeigt, wie die ökonomischen Krisen und die darauffolgenden politisch-institutionellen Krisen stets der Ausgangspunkt einer Verschärfung des Klassenkampfs waren, und daß die Kriege oft den Kampfrahmen verschärft und intensiviert haben, aber auch, daß die Bewegung der Klasse in einem selbständigen Sinne nie von sich aus oder mit herrschaftlicher Bewilligung, also ohne strategische Präsenz der Klassenpartei, zu einer revolutionären Orientierung geführt hat.

Auch in den Jahren 1943-'45 hat sich diese Geschichte wiederholt. Es bestanden auf dramatische Weise alle notwendigen Zutaten: die Wirtschaftskrise, der Krieg, institutionelle Freiräume, verursacht durch die Verwirrung der Bourgeoisie, die Randexistenz zweier Regierungen (die Republikanische in Salò und die Monarchistische in Brindisi), die weniger als einen Staat "regierten", und ein Heer in Auflösung.

Die Arbeiterklasse im Norden und hunderttausende Frontheimkehrer setzten sich in Bewegung. Es gab Streiks und Fahnenflucht, Kampfentschlossenheit aber auch politische Konfusion. Unvermeidlicherweise konnte die Antwort der Klasse auf die entsetzlichen vom Krieg hervorgerufenen Lebensbedingungen nur auf die erste Zwischenwand prallen, die sich ihnen entgegenstellte, der Faschismus. Wie in Rußland 1917, als sich die Wut von Millionen von Ausgebeuteten gegen das diktatorische zaristische Regime entlud, und die Intervention der bolschewistischen Partei notwendig wurde, damit der Klassenkampf nicht auf den allerersten Schritt beschränkt blieb wie es die russische Sozialdemokratie, von der internationalen Sozialdemokratie unterstützt, predigte, sondern den Kapitalismus ins Herz traf, so war gleichsam in Italien die Präsenz einer revolutionären Partei vonnöten, die die Überwindung des demokratischen Kampfs gegen den Faschismus aufzeigt im Sinne einer revolutionären antikapitalistischen Lösung. (14)

Vor dem Hintergrund dieser objektiven Situation und auf Grundlage dieser politischen Notwendigkeit, inmitten des von der Dritten Internationale vollführten und von der zentristischen Partei Gramscis und Togliattis nachvollzogenen ideologischen Zusammenbruchs, entstand die 'Internationalistische Kommunistische Partei' (IntKP)( Partito Comunista Internazionalista, PCint). Das Entstehen einer revolutionären Partei nach zwanzig Jahren internationaler Konterrevolution und faschistischer Diktatur und inmitten des nunmehr zweiten weltweiten Gemetzels, die sich die Wiederaufnahme des Klassenkampfs zum Ausgangspunkt macht, wirft Probleme analytischer und programmatischer Art auf (noch vor den organisatorischen Dingen). Für die Revolutionäre war einfach ganz klar, daß die Unruhe der Massen, die Verbitterung derjenigen, die mit der Überausbeutung in den Fabriken zahlen mußten oder gar mit dem Leben im imperialistischen Grabenkrieg, daß sich dies alles als ein unnötiges Opfer herausstellen würde, wenn nicht wieder eine politische Taktik aufgenommen wird, deren oberstes Ziel eine revolutionäre Strategie ist. Hierfür wurde es nötig, am roten Faden der Geschichte und des Klassenkampfes wiederanzuknüpfen, die verstreuten physischen Kräfte zu reorganisieren die sich von der immensen konterrevolutionären Welle nicht hatten fortreißen lassen und vor allem, Klarheit über die Grundprobleme zu schaffen, die die imperialistische Praxis dieser Jahre auf dramatische Weise schuf. Wenn die Aufgabe einer revolutionären Kraft darin besteht sich dem Kampf zu stellen wie er sich ergibt, bedingt und gegängelt von Tausenden Faktoren die sich überschneiden und überlagern, nicht um darin unterzugehen und gefangenzubleiben sondern um ihn auf ihr Terrain, also das der Klasseninteressen zu ziehen, so war es am wichtigsten das Feld von Mißverständnissen und Mystifikationen freizuräumen und eine Trennungslinie so tief wie möglich zwischen Klasse und Klasse zu ziehen. Die zu lösenden Schwierigkeiten waren die gleichen wie immer, aber aktualisiert durch eine politische Praxis die sie "neu" und typisch für diese bestimmte Phase der Geschichte machte.

  1. Vor allem war der Krieg. Wenn die wie auch immer verkleideten bürgerlichen Kräfte sich anstrengten ihn zu ideologisieren und in einen positiven Gesichtspunkt zu machen, zum Schlüssel für Fortschritt oder Demokratie, so mußte es zwingend sein, die wirkliche Natur des Krieges zu analysieren und anzuprangern, also seine ökonomische Basis, seinen imperialistischen Charakter und seine Unvermeidlichkeit unter den kapitalistischen Wirtschaftsverhältnissen. Das letztendliche Ziel bestand darin der Arbeiterklasse aufzuzeigen, daß es im Grunde nicht darum ging, den "einen" Krieg gegen einen "anderen" auszutauschen; die Fortsetzung des Kriegs mit den Insignien der Demokratie nachdem man ihn vorher als faschistischen gekämpft hat, bedeutete nicht aus der bürgerlichen Umgrenzung auszubrechen sondern nur sich auf der anderen Seite der imperialistischen Front einzurichten und daß, wie auch immer, nur ein einziges Interesse die Wiederaufnahme des Klassenkampfs des italienischen wie auch des internationalen Proletariats anfeuern kann: die Verwandlung des Kriegs in die Revolution, des imperialistischen Kriegs in den Bürgerkrieg.
  2. Das zweite, sehr viel schwierigere Problem daß es zu lösen galt, stellte die Frage Rußlands dar. Auch wenn seit der nunmehr lang zurückliegenden Oktoberrevolution sich zahlreiche, ja fast zu viele Vorfälle des Nachgebens vor der Konterrevolution angehäuft hatten, auch wenn die Dritte Internationale, bevor sie definitiv ihre Türen schloß (15) , gezwungen war, das gesamte politische Programm zu verdrehen auf welches sie gegründet wurde, so war doch in den Gefühlen der Massen ihr Prestige noch recht groß. Moskau bedeute gemeinhin Sozialismus, galt noch als Referenzpunkt der internationalen Revolution, und wenn das Geburtsland Lenins in das antifaschistische Lager zur Rettung der Demokratie übertrat, so bedeutete dies, daß dieser Kampf geführt werden mußte. Auf diesem Gebiet hätte sich die Aufgabe der Einbeziehung des Proletariats auf Seiten der Verteidigung der SU sehr einfach gestaltet, wenn nicht das Werk der Entmystifizierung und Anprangerung des konterrevolutionären Prozesses, der die Sowjetunion dazu gebracht hat ein Kapitalismus unter vielen zu sein, ein Protagonist in der imperialistischen Auseinandersetzung, dazwischengekommen wäre.
  3. Diese Arbeit an der Entmystifizierung und der Herstellung politischer Klarheit konnte vor der Auseinandersetzung mit allen jenen politischen Organisationen, allen voran die KPI, nicht Halt machen, die die Nabelschnur nicht durchschneiden wollten oder konnten welche sie mehr oder weniger mit dem stalinistischen konterrevolutionären Prozeß verband und sie teilnehmen ließ an der Fortsetzung des Krieges, Bollwerke errichten ließ zur Verteidigung der Demokratie im Dienste der nationalen Bourgeoisie. Mißverständnisse hierüber mußten mit strategischen und nicht mit taktischen Begriffen geklärt werden. Der KPI durfte nicht der Vorwurf einer kompromißlerischen taktischen Haltung gemacht werden, hier und da mit dem politischen Programm gebrochen zu haben um auf opportunistische Weise eine Rolle wirklicher Leitung in einer bestimmten Kampfphase zu erreichen, die ihren Inhalten und Zielen nach nicht die Grenzen des Rahmens sprengten, die die bürgerlichen Kräfte selbst auferlegt hatten, sondern es mußte der ganze und unwiderrufliche Verrat an der Klasse angeprangert werden, der sie ganz und gar innerhalb der geschichtlichen Instanzen des Klassengegners stellte.
  4. Kritik und Anprangerung mußten ihre geistige Gestalt ablegen um in den Ereignissen die das Kriegsende hervorbringt den spezifischen Charakter des revolutionären Kampfs in den Fabriken, auf dem Lande und in den Straßen anzunehmen. sich als politischer Bezugspunkt gegenüber der Praxis des Nationalen Befreiungskommitees und der Partisanenbewegung emporzuheben. Operativ mußte der Kampf auf zwei Fronten geführt werden: gegen den Faschismus, damit die Auflösung des alten Staates völlig herbeigeführt wurde, gegen die Demokratie, damit sich auf dem ersten Trümmerhaufen nicht noch ein weiterer und gleichermaßen bürgerlicher und imperialistischer Schrott errichtet, aber im "neuen" Kleid, den Bedürfnissen des kapitalistischen Wiederaufbaus besser angepaßt.
  5. Es war im operativen Sinne notwendig, daß die Internationalisten sich in den Kampf mengten um jene revolutionäre Praxis zu verwirklichen, die zwei Jahrzehnte schwärzeste Konterrevolution den proletarischen Massen und ihrer Handlungsweise entfremdet hat.

In diesem Sinne wurde auf die politische und programmatische Tradition der 'Italienischen Linken' in Livorno verwiesen und auf die 'Thesen von Rom', auf die Initiative des 'Comitato d'Intesa', auf die Wiederaneignung der revolutionären Lehren der ersten beiden Kongresse der Kommunistischen Internationale. Der Bolschewismus mußte um ans Ziel zu gelangen, über den Kadaver der Sozialdemokratie hinweg; der Internationalistischen Kommunistischen Partei blieb nichts anderes übrig als den gleichen Weg zu gehen, doch diesmal gegen die Neosozialdemokratie, also jene, die aus den Trümmern der Dritten Internationale hervorgegangen war.

Der Krieg, die Rolle Rußlands, KPI und Partisanenbewegung waren die zu lösenden Fragen, den man konnte darauf hoffen, in Italien den ersten Stützpfeiler des gewaltigen Damms des internationalen Imperialismus zu brechen.

Der Krieg, Rußland, und die Partisanenbewegung

Ausgegangen war man von folgender Analyse:

In der aktuellen Phase des Kapitalismus, die von einer wachsenden Konzentration in allen Zweigen des Wirtschaftslebens gekennzeichnet ist, in einer Phase der Wirtschaftsblöcke innerhalb der einzelnen und selbst zu großen Blöcken organisierten Nationalökonomien, hat jeder Krieg imperialistische Ziele und Merkmale, bei denen sich alles um die Eroberung von Märkten dreht, um die Besetzung der neuralgischen Punkte der Wirtschaft und also der Weltpolitik, um die finanzielle Kontrolle und um die Ausbeutung der weniger entwickelten aber an wirtschaftlichem Potential reich seienden Ländern und, in einem Wort, um eine neue Aufteilung der Welt zum Vorteil der einen oder anderen Industriemacht.
Von der Notwendigkeit beherrscht, kontinuierlich die eigene Produktionskapazität auszudehnen um nicht erstickt zu werden, und also ständig neue Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte zu finden und neue Möglichkeiten der Ausbeutung für ihr Kapital, geraten die einzelnen Nationalökonomien in einen Geschwindigkeitswettbewerb der, alle pazifistischen Konkurrenzmöglichkeiten ausgeschöpft, auf fatale Weise in einen neuen blutigen Akt des Krieges mündet.
Dies hat seine Ursprünge also nicht in Widersprüchen ideologischer Natur, auf welche Weise sich auch immer der Konflikt äußern mag, als Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei, zwischen Freiheit und Sklaverei, zwischen Gerechtigkeit oder Willkür; das heißt, die unterschiedlichen Ideologien der politischen Formen sind ihrerseits selbst Produkt der verschiedenen Positionen der kriegsführenden Mächte im Rahmen der Weltwirtschaft und -politik.
... Der Krieg ist deshalb ein höherer Ausdruck einer unlösbaren Krise des kapitalistischen Systems. Sie bricht aus wenn im Innern der nach Weltherrschaft strebenden Länder und in ihren gegenseitigen Beziehungen jede Möglichkeit der friedlichen Beilegung der Gesellschaftskrise ausgeschöpft ist. Dann ergibt sich für die kapitalistische Gesellschaft das Dilemma: Krieg oder Revolution... . Aber wenn es in diesem Krieg einen Sieger geben soll, so wie wir das fest wollen, soll es nicht diese oder jene imperialistische Gruppe sein sondern die proletarische Klasse, und dieser Sieg wird nur von einer Partei verwirklicht werden, die gegen die Gesamtheit der Parteien des Kapitalismus gekämpft hat, gegen die demokratische wie die faschistischen Fassade; von einer Partei, die sich weder von ihrem Weg abbringen ließ, noch von den Sirenen die sie dazu auffordern wollten das Gewehr zu schultern für eine noch höhere soziale Gerechtigkeit, noch von denen, die gleiche Aufforderung im Namen der nationalen Verteidigung und der Volksregierung machten.
Nur wer sich auf keine Verhandlungen mit den Kriegsparteien eingelassen hat, hat das Recht das Proletariat zum Kampf mit dem folgenden Namen einzuberufen: Verwandlung des imperialistischen Kriegs in den Bürgerkrieg! (16)

Aber die Analyse und die Demystifikation des Krieges hatte die Bedeutung, wenn auf operativer Ebene Anstöße gegeben waren, das Alltägliche, den beschränkten taktischen Aspekt also, mit der allgemeinen strategischen Vision durch die politische Koordinierung der Anstöße der Basis mit rechtzeitigen und dem jeweiligen Moment entsprechenden Initiativen zu verbinden. Es genügt nicht zu erklären gegen den Imperialismus zu sein, man muß die für den Zusammenstoß geeigneten materiellen Kampfmittel und Kampfformen bestimmen:

Gegen diejenigen Leute, die versuchen euren Kampf in die Front der nationalen Befreiung zu lenken und vorgeben nicht zu wissen, daß das “Vaterland” des Proletariats, grenzenlose Solidarität und Arbeit, nichts gemein hat mit dem “Vaterland” der Bourgeoisie, da antwortet ihr Arbeiter mit den Worten Lenins: “der Krieg ist ein unvermeidliches Stadium des Kapitalismus, eine gleichermaßen gewöhnliche Lebensform des Kapitalismus wie der Frieden”. Die Weigerung Militärdienst zu leisten, die Streiks gegen den Krieg und gleichartige Dinge sind vollkommen blödsinnig, ein verschwommenes und feiges Hirngespinst eines unbewaffneten Kampfs gegen die bewaffnete Bourgeoisie, ein trübsinniger Wunsch die Vernichtung des Kapitalismus ohne einen erbitterten Bürgerkrieg zu erreichen; heute, für sich genommen, verliert der Kampf für die unmittelbaren wirtschaftlichen Forderungen an Bedeutung und Wert; wem wird schon die teilweise Erfüllung eurer Forderungen erfreuen, wenn das gewaltige Massaker nicht aufhört euer Blut und euren Schweiß zu fordern?
Die gegenwärtige Stunde verlangt nach der Bildung einer Arbeitereinheitsfront, die Vereinigung aller, die gegen den Krieg sind, sei er nun faschistisch oder demokratisch. Arbeiter aller proletarischen politischen Gruppen, parteilose Arbeiter, verbündet euch mit unseren Arbeitern, diskutiert zusammen die Probleme der Klasse hinsichtlich der Kriegsereignisse und kommt zu gemeinsamer Übereinkunft in jeder Fabrik, in jedem Zentrum und Komitee der Einheitsfront, das fähig ist, den Kampf des Proletariats auf sein wirkliches Klassenterrain zurückzuführen. Die Arbeitereinheitsfront wird unter der Voraussetzung zu einer lebendigen und wirksamen Kraft, daß ihr, was auch immer eure politische Parteiposition ist, mit folgenden den Krieg betreffenden Vorsätzen übereinstimmt:
1. Der imperialistische Krieg ist der ausgedehnteste, gewaltsamste und niederträchtigste Angriff auf das Proletariat, um ihm die Straße zu versperren, die zur Eroberung der Macht führt.
2. Gegenüber den beiden Polen des Krieges, dem faschistischen und dem demokratischen Pol, ersterer auf Gewalt, der zweite auf Korruption bauend, drückt das Proletariat beiderseits seine Abscheu aus, wie gegenüber den Aspekten der kapitalistischen Wirklichkeit selbst.
3. Keiner darf mehr geneigt sein, dem trotz allem veralteten und lächerlichen Geschichtlein über taktische Manöver Kredit einzuräumen, das den Kampf gegen das größere Übel (nazi-faschistische Gesetze) gestattet um die Allianz mit dem kleineren Übel (diktatorisch-demokratische Gesetze) vorzuziehen.
4. Die den Freischärlern der nationalen Befreiung so teure Losung vom bewaffneten Aufstand ist reine revolutionäre Geschwätzigkeit die den Verrat an der proletarischen Revolution verhüllt und darauf abzielt, ihren eigenen Parteien genügend Stimmvieh für den Aufstieg zur politischen Macht zu verschaffen.
5. In der aktuellen Phase der Krise und unter dem wütenden Rasen des Krieges sind einerseits gewerkschaftliche oder beschränkte politische Forderungen, die schwerwiegende und dringende Bedürfnisse der Massen widerspiegeln unvermeidlich, genauso wie das Recht des Proletariats unvermeidlich und ununterdrückbar ist, sich mit den Mitteln auszurüsten die zur Verteidigung ihrer Interessen geeignet sind, doch dies ist andererseits hohl und illusorisch wenn im Proletariat kein Bewußtsein darüber existiert, daß nur der aktive und klassengemäße Widerwille gegen den Krieg, daß nur der erbarmungslose Krieg gegen den wie auch immer maskierten Imperialismus, nur der siegreiche revolutionäre Kampf dem Proletariat die Macht sicherstellen wird.
6. Es ist notwendig zwischen dem Streiken zu unterscheiden, das organischer Ausdruck des proletarischen Kampfs und normales Verteidigungsmittel der Klasse ist, und eines Streikwahnsinns, der in der Führung der Bewegung eine Mentalität balkanischer Freischärler und bewaffneter Bandenorganisation nährt. Dies dient ganz klar dazu die Waffe des Streiks abzustumpfen und im Bewußtsein der Massen zu diskreditieren. Deshalb sind die Arbeiter nicht nur solidarisch mit den Streiks und mit jeglicher klassenmäßigen Demonstration in den Fabriken, sie sind vielmehr die Förderer ihrer Durchführung und vor allem der permanente und unermüdliche Verfechter der höherstehenden Notwendigkeit des Kampfs um die Macht des Proletariats, in dessen historischen Umfeld die nebensächlichen Kämpfe, in ihrer Voreingenommenheit und Vergeblichkeit, aufleuchten und proletarische Gesinnung und Gehalt annehmen.
7. Auf der Grundlage dieser Voraussetzungen machen sich die Arbeiter (das Etikett ihres politischen Glaubens zählt nicht) zu Verbreitern des Appells unserer Partei und sie machen sich, mit der Auseinandersetzung, Klärung und Akzeptierung der Vorstellungen die dafür die Begründung sind, selbst zu Iniziatoren der ersten Kontakte und der ersten organischen Gruppierungen in den Arbeitsstätten. Darüberhinaus haben die Arbeiter klar gezeigt nunmehr Meister in der Kunst zu sein, sich hinter dem Rücken der Unternehmer und ihrer faschistischen Diener zu organisieren.
8. Die Arbeitereinheitsfront vereint und festigt diejenigen Kräfte, deren Ziel es ist, auf den proletarischen Barrikaden gegen den Krieg und seine politische Führung, ob faschistisch oder demokratisch, zu kämpfen.
Ihre allerwichtigste und hauptsächlichste Aufgabe ist zu verhindern, daß die Arbeiter von der kriegshetzerischen Propaganda verpestet werden; ... und zu verhindern, daß das von Opfer- und Kampfgeist beseelte Proletariat in welcher Form auch immer für den Krieg und dessen Fortsetzung, sei es auch unter der Fahne der demokratischen Freiheit, ausgenutzt wird. (17)

Aber den Krieg und seine Maskerade anzugreifen, der imperialistischen Barbarei auf diese Weise den rechtfertigenden Anschein zu nehmen, dies bedeutete, dem Proletariat auch die aktiven Seiten dieses Prozesses aufzuzeigen. Den Ausgang der Konfrontation zwischen den "alliierten" Ländern und denen des Nazi-Faschismus als vorhersehbar vorausgesetzt verblieb die Lösung der Rolle Rußlands. Der gleiche Staat, der zum ersten und einzigen Mal in der Geschichte des Klassenkampfs über theoretische Postulate hinaus ganz praktisch eine revolutionäre Antwort auf den imperialistischen Krieg zu geben, konnte noch immer als ein Referenzpunkt für die Wiederaufnahme des internationalen revolutionären Kampfs betrachtet werden, als ein in der Entwicklung der Revolution in Europa blindlings oder kritisch zu verfolgendes Modell; ein degenerierter sozialistischer Staat oder anders, Teilnehmer beim zweiten weltumspannenden Gemetzel auf Basis der Verteidigung der demokratischen Prinzipien, was der Beweis für das endgültige Scheitern der Oktoberrevolution war, die in den wirtschaftlichen Formen und politischen Inhalten ersetzt wurde durch die tragenden Strukturen des Staatskapitalismus mit all seinen Konsequenzen was das Verhältnis zum Krieg betrifft?

Die Bolschewisierung der russischen Partei und der Internationale, die Liquidierung der das Proletariat ausdrückenden Führungsstruktur und deren Ersetzung durch fade Knechte des Opportunismus; die Ungleichheit der Löhne, die die gesellschaftlichen Unterschiede wieder in Kraft setzt; die von der Staats- und Parteibürokratie, der aus dem Werk der erzwungenen Industrialisierung hervorgegangenen Klasse der Techniker und der Kirche eingenomenen Rolle als vorrangige und leitende Kräfte im Staate anstatt der Diktatur durch das Proletariat; die Fünfjahrespläne für die intensive Ausbeutung der Arbeiter der wieder zur untergeordneten Klasse wurde, das sind die äußeren Aspekte für die Bestätigung, daß die Interessen der SU nichtmehr mit denen des Proletariats übereinstimmen; die Umsetzung eines politischen und wirtschaftlichen Plans am Vorabend des Krieges, der nach der Größe seines Vorhabens und seiner Verwirklichung ohnegleichen war und von der besonderen sowjetischen Gesellschaftsorganisation ermöglicht wurde, war am geeignetsten, die höchste Phase des Imperialismus in der Ideologie und in der Struktur des Staatskapitalismus auszudrücken und darzustellen. An diesem Punkt haben die Aushöhler der Revolution es für opportun erachtet der internationalen Bourgeoisie die Wirklichkeit und Anschaulichkeit der neuen Richtung der russischen Politik vorzuführen und sie opferten auf dem Altar der demokratischen Eintracht die Leute der alten Garde, die unverdorbenen Werkzeuge der Oktoberrevolution.
Das ist das Rußland nach dem Geschmack Roosvelts, Churchills und aller internationalen Radikalen, aber es ist nicht das unsere. (18)

Die von Rußland im zweiten Weltkrieg so verschiedene von jener revolutionären im Ersten Weltkrieg gespielten Rolle konnte nur die zentristischen Parteien und deren Anhängsel mit hineinziehen. Rußland anzugreifen, aufzuzeigen, daß seine Wirtschaft nicht als sozialistisch verkauft werden konnte, bedeutete auch dem Proletariat zu sagen, daß die Partei Togliattis, über die mehr oder weniger geglückten Verschleierungen hinaus, als Gefäß für die Wut der Arbeiter diente, als letztes Verteidigungsbollwerk des Kapitalismus. Und so, während die PCI aus der Mitte des Nationalen Befreiungskomitees den Partisanenkräften den folgenden Angriffsbefehl gab:

Der große Kampf für die Befreiung Europas hat begonnen. Die anglo-amerikanischen Heere rücken in der Toscana vor und landen zu hunderttausenden Menschen in Frankreich. Die Sowjetarmee, die schon in tausend Schlachten die Deutschen geschlagen hat, ist dabei ihre letzte alles überrennende Offensive zu entfesseln. Es ist die richtige Augenblick für den allgemeinen Angriff für alle Partisaneneinheiten, für alle Patrioten, für alle Italiener... (19)

... antwortete die Internationalistische Kommunistische Partei:

Gegenüber dieser Politik ist unsere Haltung klar. Das im Grunde nationale antideutsche Partisanentum ist eine Waffe deren sich die Bourgeoisie bedient um den Arbeiter zu verblenden, um ihn von seinem eigenen Kampfterrain abzubringen, um mit seinem Blut ein Wiedererwachen der agonisierenden kapitalistischen Verhältnisse zu befruchten. Zwischen zwei Imperialismen die sich in unserem Lande bekriegen und wo der Eine eine illusorische Freiheit verspricht und der Andere dazu auffordert, die geschändete Ehre zu rächen, da gibt es für uns keinerlei Wahl. Wir wollen nicht gegen die Deutschen kämpfen damit der angelsächsische Imperialismus siegt, wir wollen kämpfen damit einmal für immer die Wurzeln jedweden Imperialismus zerstört werden. Wir wollen nicht gegen den nazistischen Krieg kämpfen, um den demokratischen Krieg zu legitimieren, in welchem Mäntelchen er auch immer daherkommt. Wir wollen nicht daß das Proletariat aus Liebe zu einem bürgerlichen Vaterland verblutet: wir wollen daß es für die einzige Sache in seinem Interesse kämpft, die Eroberung der Macht. Die Tageslosung “Nation gegen Nation” ersetzen wir durch “Klasse gegen Klasse”, und die Bewegung der antideutschen Partisanenbanden durch die Bewaffnung des Proletariats zur Erfüllung seiner historischen Aufgaben. (20)

Es konnte nicht anders sein als daß die Partei Togliattis gegen diejenigen, die eine revolutionäre Linie verfolgten und versuchten die arbeitenden Massen loszulösen von der bürgerlichnationalen Täuschung und den Verrat offenlegten, mit eiserner Faust vorging. Das war nicht neu. Die Generalprobe dafür war bereits in Spanien erfolgt. Vor allem seitdem, und weil in diesem Fall auch ihre Machtgelüste zur Diskussion gestellt wurden, griff die KPI in der Auseinandersetzung mit den Internationalisten zu jedweder Waffe, auch zur hinterlistigsten, um jegliche Gefahr der Überschreitung ihrer frontistischen Politik zu bannen. Provokation, Denunzierung selbst bei der faschistischen Polizei und physische Eliminierung waren die gewöhnlichen Mittel der “Gendarmen der Demokratie”. (21)

Als diese Mittel sich als unpraktisch herausstellten oder als zu schwierig umzusetzen, wurde die Presse damit betraut die Revolutionäre anzugreifen und in den Schmutz zu ziehen, sie wurden als Söldlinge des Faschismus und Mitläufer des Nazismus bezichtigt, es hieß, diese Menschen seien "als Spione und Verräter und als Agenten der Gestapo" zu behandeln, "ihre Presse zu boykottieren und zu verbrennen". (22)

Paradoxerweise beschreibt der Geheimdienst des faschistischen Regimes, der genau buchführte über die antifaschistischen Parteien und Organisationen in einem Bericht vom Ende 1943 auf folgende Weise die Internationalistische Kommunistische Partei und ihr illegales Presseorgan “Prometeo”:

Prometeo - Organ der PCInt. Bereits in den zwei vorangegangenen Berichten erwähnt. Hat als Untertitel: Auf dem Weg der Linken, und rechts steht: Proletarier aller Länder, vereinigt Euch! Verkündet einen reinen Kommunismus, leninistisch und trotzkistisch, antistalinistisch. Gegen den Krieg unter jedwedem Aspekt (sei er kapitalistisch oder demokratisch, faschistisch oder sowjetisch-stalinistisch). Aus diesem Grunde im offenen Kampf mit der antifaschistischen und mit den Angelsachsen verbündeten Koalition. Gegen die Partisanenerscheinung und unbesonnene Streiks. Entschlossener und bewanderter Gegner der kommunistischen Partei Ercolis. Wie bereits gesagt, es ist die unabhängigste aller in unsere Hände gelangten Zeitungen und erweckt beim Leser Verwunderung. Stets authentisch, trotz der Anschuldigung seitens der von Togliatti beeinflußten Blätter. [...] Es wäre interessant zu erfahren, welche Gefolgschaft die Bewegung von “Prometeo” tatsächlich hat. Man muß der Meinung sein, daß sie spärlich ist wegen ihrer unbeugsamen Haltung die zu sehr im Gegensatz steht zum umsichgreifenden Opportunismus der antifaschistischen Massen, Frucht der moralischen und physischen Feigheit derer für die die Ereignisse im Juli und September nichts waren wie auffällige Erscheinungen. Wie auch immer scheint die feste Überzeugung dieses extremistischen Zweigs nachgewiesen, der zweifellos einzige für einige Betrachtungen würdige innerhalb des schimpflichen Pulks der Umsturzbewegung. (23)

Aber die KPI war nunmehr in voller Fahrt. Auf ihrem Durchmarsch zur Verwaltung der bürgerlichen Macht verblieben, war das faschistische Schreckgespenst einmal geschlagen, zwei zu überwindende Schwierigkeiten: es galt die verbliebene Bestürztheit im Bezug auf ihre prokapitalistische Politik zu glätten mit Hilfe der Glieder der Arbeiterschaft, die bitter aus dem Becher des Verrats tranken, und die revolutionären Minderheiten als Anhängsel des Faschismus zu diskreditieren. Im ersten Fall tauchte die übliche schamlose Lüge der Klassenkollaboration auf, die als "erleuchtete" taktische Fähigkeit präsentiert wurde:

Auf einer in Mailand abgehaltenen Führungsversammlung wurde gesagt, daß wir mit den Arbeitern zusammenarbeiten wollen und auch mit ehrlichen Kapitalisten; dies hat seitens der Genossen zu einem Diskussionsdurcheinander geführt, die sich nicht erklären konnten, wie man von ehrlichen Kapitalisten sprechen kann. Aber es handelt sich um das Erwägen eines bestimmten politisch-ökonomischen Programms und darum, daß die Kapitalisten dasselbe akzeptieren. Nun denken wir, daß sie unser Programm, das ein Programm der Demokratie und des Wiederaufbaus ist, akzeptieren und ehrlich an seiner Verwirklichung arbeiten können. Wir wollen diejenigen Kapitalisten zur Schau stellen, die alles dafür tun um sich dem Marsch zur Demokratie entgegenzustellen und gegen sie wollen wir die Massen mobilisieren. Es ist also offensichtlich, daß wir bereit sind im Einklang mit den arbeitenden Massen zu marschieren. Wenn wir das Problem der Machteroberung nicht stellen, so ist klar, daß die gesamte Industrie und die Werkstätten in den Händen der Kapitalisten verbleiben und deswegen, und schon der Notwendigkeit halber, lassen wir diese Klasse überleben. Aber es wird das Interesse aller sein, den Marsch der arbeitenden Klassen für den nationalen Wiederaufbau aufrichtig mitzuverfolgen, weil es die arbeitenden Klassen sind, die durch ihre Tätigkeit diejenigen sind, die die Politik des Wiederaufbaus am konsequentesten realisieren. Auf diese Weise sehen wir, daß es die arbeitende Klasse ist, die im Grunde wirklich die Leitung hat. (24)

Mit anderen Worten, man versuchte die Arbeiter davon zu überzeugen, daß es möglich sei, natürlich an der Seite der "guten" Bourgeoisie, günstige Bedingungen für einen neuen kapitalistischen Akkumulationszyklus zu schaffen in dem die Arbeiterklasse eine führende Rolle übernehmen würde, doch man vergaß hinzuzufügen, daß unter kapitalistischer Herrschaft die Arbeitskraft nur Objekt und nicht Subjekt der ökonomischen Entwicklung sein kann. Gleichzeitig bezichtigte man ein politisches Programm des Faschismus, das, wie jenes der Internationalistischen Kommunistischen Partei, seine politischen Überlegungen zuallererst auf der Unversöhnlichkeit der Klasseninteressen gründete und auf der unausweichlichen Notwendigkeit der Selbständigkeit der Arbeiterklasse vor allem in der Auseinandersetzung mit dem ureigensten Klassengegner. Das Vertrauen der Arbeiterklasse zu mißbrauchen, ihr aufzuzwingen sich zur Wiederankurbelung der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen, war "fortschrittlich"; ein revolutionäres Programm wie das erwähnte der Internationalisten wurde Faschismus vorgeworfen.

Abgesehen von der KPI, das heißt der großen Macht der italienischen und europäischen Neosozialdemokratie, muß hier daran erinnert werden, daß das Phänomen des Partisanentums keine Besonderheit der italienischen Bourgeoisie darstellte sondern in anderen Aufzügen und mit mehr oder weniger starken politischen Akzenten im ganzen "hitlerisierten" Europa gedieh, im Frankreich deGaulles wie in den künftigen Ländern des Ostens, und dessen beste Waffe bestand in der Verspätung der revolutionären Kräfte. Einzig in Italien versuchte die Kommunistische Linke, mit der Gründung der Internationalistischen Kommunistischen Partei, die Reihen zu reorganisieren, inmitten einer politisch-ideologischen Verwirrung, auch und vor allem im Bereich der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Kräften und Initiativen, die auf irgendeine Weise versuchten auf Distanz zur politischen Praxis der zentristischen Partei zu gehen. (25)

(1) Allein in Piemont gab es 107 Streiks an denen sich 94.453 Arbeiter beteiligten. In den anderen Industriezentren waren mehr als 100000 Metaller, 27000 Textil-, Chemie- und Manufakturarbeiter in Bewegung.

(2) Nach dem 8. September wurden auf nationalem Territorium 13 vor allem im Norden konzentrierte Divisionen, darunter zwei motorisierte, weisungslos aufgegeben. Das gleiche geschah den zu den “Besatzungstruppen” rechnenden Divisionen in Frankreich und Rußland.

(3) Die Internationalistische Kommunistische Partei ging in diesem entscheidenden Augenblick dazu über sich zu organisieren vermittels der schwierigen Arbeit der Wiederverbindung der alten Kader und neuer Elemente, konnte aber nicht von heute auf morgen die enorme revolutionäre Aufgabe erfüllen zu der sie angetreten war.

(4) Togliatti kam am 27. März 1944 von Rußland wieder nach Italien, offiziell vom Kreml als “Führer” der KPI eingesetzt.

(5) Die Versammlung, die erste mit einigermaßen Bedeutung seit dem Geschehnis vom 8.September, wurde in Neapel am 30. und 31. März abgehalten.

(6) aus “Il partito” von P.Togliatti.

(7) Eine Weisung, die Togliatti im Auftrag der KPI-Führung an die gesamte Organisation am 6.Juni 1944 übersandte.

(8) Es ist zu bemerken, wie unter anderen Umständen, aber innerhalb des gleichen imperialistischen Kriegs, der maoistische Versuch von den gleichen politisch-strategischen Voraussetzungen ausgeht. Einheitsfront, Koalition der vier revolutionären Klassen. Kampf für die nationale Unabhängigkeit, Ersetzung der proletarischen Diktatur durch die “neue Demokratie”.

(9) Aus “Unità” 1944, zitiert nach: A.Lepre, “La svolta di Salerno”, und berichtet im Werk Montaldis “Saggio sulla politica comunista in Italia (1919-1970)”.

(10) In “Normalizzare la vita nelle fabriche” vom 2. Juli 1945.

(11) Beschluß der Führung der KPI vom 10. Juli 1945.

(12) Von der Führung der KPI an die Kommunistischen Provinz-Verbände geleitet. Zitiert im obengenannten Werk Montaldis.

(13) Aus “Rinascita”, Nr.1, 1944.

(14) diesbezüglich vergleiche die Position Lenins in den 'Briefen aus der Ferne' wie auch den “Aprilthesen”.

(15) Die Dritte Internationale löste sich offiziell am 24. März 1943 in Moskau auf.

(16) aus dem im Untergrund erschienenen “Prometeo”, 1/12/1943.

(17) Aus dem Flugblatt “Appell der Internationalistischen Kommunistischen Partei für die Bildung einer proletarischen Einheitsfront gegen den Krieg”, 1944.

(18) aus dem im Untergrund erschienenen “Prometeo” - Artikel: “La Russia che amiamo e difendiamo”.

(19) Aus dem Tagesbefehl Nr.8 des Kommandos der Truppenabteilungen und der Sturmbrigade Garibaldi vom 10.6.1944.

(20) Aus dem im Untergrund erschienenen “Prometeo” 1/11/1943.

(21) Unter den internationalistischen Opfern des Stalinismus sei hier an zwei revolutionäre Parteimitglieder erinnert: Mario Acquaviva und Fausto Atti, Teil der Internationalistischen Kommunistischen Partei seit dem Zeitpunkt ihrer Gründung.

(22) Aus “La Fabbrica”, Organ des Mailänder KPI-Verbandes, vom 1.1.44.

(23) Aus “I rapport a Mussolini sulla stampa clandestina 1943-45”, Herausgegeben von E.Camurani, Forni-Editore.

(24) Longo-Bericht auf der oberitalienischen Verbandssekretärsversammlung der KPI, 28. August 1945, zitiert nach Montaldi, s.o.

(25) Diese Arbeit ist eine freie Übersetzung des Artikels “Nel solco della sinistra italiana verso la ricostruzione del partito di classe”, abgedruckt in “Quaderni di Battaglia Comunista” Nr.6. Alle Zitate sind ebenfalls aus dem italienischen übersetzt.