Die Arbeiterklasse braucht ihre eigene politische Organisation!

Im linken politischen Spektrum gibt es keinen Mangel an Apellen „Arbeiterparteien“ zu bilden, oder bestehende reformistische Parteien in „echte Arbeiterparteien“ umzuwandeln. Und natürlich gibt es diese oder jene Clique, die sich bereits selbst zur „Partei“ erklärt hat. Eine schier undurchdringliche Buchstabensuppe trotzkistischer und stalinistischer Gruppen haben ihre Ressourcen darauf verwendet, dieser Losung jede Bedeutung zu nehmen. Es überrascht daher überhaupt nicht, dass unsere Arbeit für die Bildung einer unabhängigen und internationalen politischen Organisation der Arbeiterklasse auf den ersten Blick den Anschein erweckt, auf dasselbe hinauszulaufen. Doch wir meinen damit etwas grundlegend anderes. Wir haben eine andere politische Perspektive.

Eine Partei gegen den kapitalistischen Staat!

Anders als die Linke des Kapitals, die sich gerne „sozialistisch“ ausgibt, erkennen wir den Staat als das an, was er ist. Statt einer metaphysischen Institution die über der Gesellschaft hängt und nur darauf wartet, von der Arbeiterklasse erobert zu werden, ist der Staat eine sehr greifbare Formation, die in einer bestimmten historischen Periode entstanden ist. Die Armee, die Polizei, die Bürokratie, der Klerus und die Justiz, alles, was den modernen zentralisierten kapitalistischen Staat ausmachte, wurde Marx zufolge von der Kapitalistenklasse in ihrem Kampf gegen den Feudalismus in den Zeiten der absoluten Monarchie genutzt. Mit der Entwicklung der modernen Industrie nahm diese Staatsmacht mehr und mehr den Charakter einer nationalen Macht des Kapitals über die Arbeit an, einer öffentlichen Gewalt, die eine hierarchische Arbeitsteilung erzwang. Je nach den besonderen politischen und historischen Umständen kann die Staatsmacht in verschiedenen Ländern unterschiedlich aussehen. Doch ob der politische Überbau die Form eines "Mehrparteiensystems" (wie in Deutschland und Schweden), eines "Zweiparteiensystems" (wie in den USA und in gewisser Weise in Großbritannien) oder eines "Einparteiensystems" (wie in China und Kuba) annimmt, das Ziel bleibt dasselbe: die Verwaltung der kapitalistischen Ökonomie in einem bestimmten Territorium. Zu diesem Zweck wurde ein Berg von Institutionen errichtet und Tausende verschiedener Gesetze und Vorschriften ausgearbeitet. Die verschiedenen politischen Parteien konkurrieren (dort wo es ihnen erlaubt ist) auf der Grundlage der Frage, wer die Aufgabe der Verwaltung effizienter ausführen und sowohl ihre Wählerbasis als auch den Teil der Kapitalistenklasse zufriedenstellen kann, der ihre Aktivitäten finanziert und unterstützt. Im Gegensatz zur Staatslinken Die sozialdemokratischen Parteien (wie bspw. Labour in Großbritannien oder die SPD) sind nur insofern "Arbeiterparteien", als ihre Wahlbasis historisch betrachtet hauptsächlich aus der Arbeiterklasse bestand. Das bedeutet, dass sie zwar die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter vertreten möchte, aber nur solange diese Interessen den kapitalistischen Akkumulationsprozess nicht stören (weshalb die Sozialdemokratie wann immer sie an der Macht war, nicht weniger hart gegen Streiks losging als ihre liberalen oder konservativen „Kollegen“). Ganz gleich, wie gut die ursprünglichen Absichten auch gemeint sein mögen, die Linke in der Regierung erfüllt letztlich genau die gleichen Funktionen, die sie einst angeblich ablehnte (die SPD ist hierfür ein besonders gutes Beispiel, aber in jüngerer Zeit auch Syriza in Griechenland oder die PSUV in Venezuela). Das liegt daran, dass diese Parteien fest in den Staat verstrickt sind.

Im Gegensatz dazu muss eine unabhängige und internationale Organisation der Arbeiterklasse außerhalb und gegen die Logik des Staates agieren. Sie kann nicht einfach ein Anhängsel einer Fraktion innerhalb des bürgerlichen Systems sein (wie die trotzkistischen und stalinistischen Gruppen mit ihrem Entrismus in reformistischen Parteien oder der „kritischen“ Unterstützung diverser Rivalen des US-Imperialismus. Die politische Organisation, von der wir sprechen, ist, wie wir immer wiederholen, keine Regierung in Wartestellung, sondern ein politischer Kompass mit einem klaren Verständnis der Bedingungen und des Endziels der Arbeiterbewegung (d.h. der Abschaffung der Klassengesellschaft und der Befreiung der Menschheit von der Diktatur des Kapitals). Sie gibt auch die Lehren vergangener Kämpfe weiter. Eine dieser Lehren ist, dass die Arbeiterklasse ihren Befreiungskampf nicht durch parlamentarische Maskeraden, sondern durch Massenversammlungen, Streikkomitees und Arbeiterräte zum Ausdruck bringt!

Mit dem Aufbau einer solchen Organisation können wir nicht bis zum Tag X warten. Die Finanzkrise von 2007/8 hat zwar eine Welle von Massenprotesten gegen die Austeritätspolitik auf der ganzen Welt ausgelöst, aber sie hat keine neue politische Kraft hervorgebracht (sondern vielmehr alten politischen Formationen wie der Labour Party neues Leben eingehaucht). Wenn Kommunistinnen und Kommunisten Einfluss auf die Ereignisse nehmen wollen, wenn sie dazu beitragen wollen, die Bewegungen der Zukunft auf emanzipatorische Ziele auszurichten, können sie nicht isoliert und unorganisiert bleiben. Es ist notwendig, dass vor dem Ausbruch solcher Bewegungen eine Organisation existiert, um in der Klasse für eine kommunistische Alternative einzutreten, dass es einen anderen Weg gibt, die Gesellschaft zu organisieren, dass der Kapitalismus, der die Welt zu imperialistischen Kriegen und zum ökologischen Kollaps treibt, nicht das „Ende der Geschichte“ ist. Die Existenz einer solchen politischen Organisation garantiert zwar nicht den Sieg, doch ohne sie wird sich jede Revolte innerhalb des Systems unweigerlich erschöpfen, so wie es die jüngsten Bewegungen gegen Kürzungspolitik getan haben.

Wednesday, June 24, 2020