An die InternationalistInnen die an der Prager Aktionswoche teilnehmen

Der Kapitalismus hat sein Verfallsdatum längst überschritten und treibt den Planeten und die Menschheit in eine existenzielle Krise. Das System taumelt von einem Notbehelf zum nächsten um die Folgen der Krise, die mit dem Ende des Nachkriegsbooms in den frühen 1970er Jahren entstanden ist, abzuwenden. Doch all diese Maßnahmen, sei es die Verlagerung der Produktion in Niedriglohngebiete, die damit einhergehende Globalisierung des Handels oder die zunehmende Finanzialisierung der Wirtschaftstätigkeit, die die Kluft zwischen Arm und Reich auf der ganzen Welt vergrößerte, haben die Widersprüche des Systems nur noch verstärkt. Das fiktive Kapital der Finanzinstitute führte zu massiven Spekulationen, mit denen die Zukunft verpfändet wurde. Vorhersehbar endete dies 2007-8 im globalen Finanzchrash. Das System hat nur dadurch überlebt, dass der Staat private Insolvenzen in Staatsschulden umwandelte, um diejenigen zu retten, die „too big to fail“ waren. Jetzt sind diese Schulden so hoch, dass die bloße Rückzahlung der Zinsen die gleichen Regierungen von echten Investitionen abhält. Stattdessen haben sie die Sozialleistungen, die sie zur Ruhigestellung der Arbeiter im Nachkriegsboom geschaffen haben, kontinuierlich gekürzt und damit das Elend der Geringverdienenden noch vergrößerten.

In der Zwischenzeit verdienen jene, die „too big to fail sind“, weiterhin ihre Milliarden, die sie einsetzen, um sicherzustellen, dass die staatliche Politik ihre Interessen begünstigt. Aus diesem Grund wird es zur Bewältigung der sich abzeichnenden Krise, des Klimawandels, nie einen kapitalistischen Plan gebenum diese wirklich zu bewältigen. Nach fast 30 Jahren zaghafter Gegenmaßnahmen, die auf Klimakonferenzen vereinbart wurden, erwärmt sich der Planet noch schneller als ursprünglich vorhergesagt. Ungehemmter Kapitalismus bedeutet das Ende allen Lebens auf dem Planeten innerhalb von Jahrzehnten und nicht erst in den dreieinhalb Milliarden Jahren, wie einst einige Astronomen und Meteorologen voraussagten.(…) Auf mittlere Sicht bedeutet die Klimaerwärmungfür Millionen von Menschen unmittelbares Elend durch weitere Umweltkatastrophen, die ihrerseits die Ursache für Kriege auf der ganzen Welt sind.

Der globale Kapitalismus hat nun fast sechs Jahrzehnte mit rückläufigen Wachstumsraten hinter sich, mit der Folge einer Zunahme der imperialistischen Spannungen auf ein seit 1939 nicht mehr erreichtes Niveau. Und die Geschichte steht niemals still. Mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges hat sie eine neue Wendung hin zu einem allgemeinen Krieg genommen. Er kam nicht aus heiterem Himmel. Jahrelang haben die USA die Gefahr des Aufstiegs Chinas hochgespielt (der ursprünglich durch US-Investitionen in ihre „Sonderwirtschaftszonen“ zustande kam, die billige chinesische Waren brachten, um die niedrigeren Löhne in den USA auszugleichen), während ihre Hybris nach dem Zusammenbruch der UdSSR keine „neue Weltordnung“ schuf, sondern ihr Bündnissystem vorantrieb, um den russischen Rumpf der alten UdSSR einzukreisen. Durch ihr Sanktionsregime (das selbst ein kriegerischer Akt ist) hat sie in Eurasien ein Zweckbündnis zwischen Russland, China und dem Iran entwickelt, die nicht nur ihre Differenzen beiseiteschieben, sondern sich gegenseitig helfen, die Auswirkungen der US-Sanktionen zu vermeiden (zu deren Verhängung sie auch ihre Verbündeten zwingen können).

Mit dem Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO gibt es keine Anzeichen für ein Innehalten der US-Politik. Und da der Kreml dem in nichts nachsteht, gibt es auch keine Aussicht auf einen baldigen Waffenstillstand. Wie die beiden vorangegangenen Weltkriege wird auch der nächste erst die „bedingungslose Kapitulation“ einer der Konfliktparteien verlangen. Der erneute totale Krieg ist Resultat des imperialistischen Stadiums des Kapitalismus, dessen Folgen die Bevölkerungen der Ukraine und des Gazastreifens bereits zu spüren bekommen.

Wir sind seit langem der Meinung, dass die einzige Kraft, die es der Menschheit ermöglichen kann, das schwarze Loch zu vermeiden, in das uns die kapitalistischen Rivalitäten treiben werden, die Weltarbeiterklasse ist. Als die universell ausgebeutete Klasse teilen wir mit unseren Klassenschwestern und -brüdern überall das gleiche Schicksal. Wir haben kein Eigentum zu verteidigen und sind nur durch „radikale Ketten“ mit dem gegenwärtigen System verbunden.(…) Unsere Klasseninteressen verkörpern die Interessen der Menschheit als Ganzes. Aber derzeit sind wir nicht in der Lage, den Kampf dagegen zu organisieren.

Der drohende imperialistische Krieg kommt zu einer Zeit, in der die ArbeiterInnenklasse angesichts von vier Jahrzehnten kapitalistischer Angriffe auf ihren Lebensstandard in der Defensive ist. Darüber hinaus wurden wir mit einer ganzen Reihe ideologischer Waffen konfrontiert, von der Identitätspolitik bis hin zum größten aller identitären Schimären - dem Nationalismus. Unter diesem Banner werden die ArbeiterInnen als Kanonenfutter zum gegenseitigen Abschlachten rekrutiert, um die „Nation“ zu verteidigen, oder besser gesagt, das Eigentum derjenigen, denen der „Reichtum der Nation“ tatsächlich gehört - unseren Ausbeutern. Nach einer so langen Zeit des Rückzugs müssen die ArbeiterInnen das Selbstvertrauen zurückgewinnen, nicht nur gegen Lohnkürzungen, Arbeitslosigkeit und Sparmaßnahmen zu kämpfen, sondern jetzt auch gegen die größere Gefahr, die der Kapitalismus für uns alle darstellt. Es sollte nicht unterschätzt werden, dass der Aufbau der Klasseneinheit die wichtigste Aufgabe für Revolutionäre ist.

Wir begrüßen daher die Prager Aktionswoche und alle anderen ernsthaften Versuche, echte InternationalistInnen zusammenzubringen, um den wachsenden Drang des kapitalistischen Weltsystems zur Barbarei zu bekämpfen. Diese Konferenzen und Initiativen könnten ein erster Schritt sein, vorausgesetzt, dass wir alle die extreme Gefahr der Situation erkennen und uns folglich auf das konzentrieren, was uns vereint, anstatt auf das, was uns gespalten hat. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Aufruf der Prager Aktionswoche im Wesentlichen nicht von den fünf grundlegenden Punkten, die wir von der Initiative „No War but the Class War“ (NWBCW) vertreten. Diese sind:

  • - Gegen Kapitalismus, Imperialismus und jeden Nationalismus! Keine Unterstützung für irgendwelche nationalen Bourgeoisien, „kleinere Übel“ oder sich formierende Staaten!
  • - Für eine Gesellschaft, in der Staaten, Lohnarbeit, Privateigentum, Geld und Profitproduktion durch eine Welt der frei assoziierten ProduzentInnen ersetzt werden!
  • - Gegen die wirtschaftlichen und politischen Angriffe, die der gegenwärtige und die kommenden Kriege auf die ArbeiterInnenklasse ausführen werden!
  • - Für den selbstorganisierten Kampf der ArbeiterInnenklasse, für die Bildung von unabhängigen Streikkomitees, Massenversammlungen und ArbeiterInnenräten!
  • - Gegen Unterdrückung und Ausbeutung, für die Einheit der ArbeiterInnenklasse und den Zusammenschluss von wirklichen InternationalistInnen!

Keiner der im Aufruf zur Aktionswoche in Prag benannten Punkte widerspricht den grundlegenden Zielen der NWBCW. In der Tat könnten wir diese fünf Punkte durchaus erweitern, um die acht Punkte von Prag (siehe unten) einzubeziehen, da sie beide den Rahmen eines wirklichen Internationalismus der ArbeiterInnenklasse definieren. Der NWBCW gehören bereits GenossInnen aus der anarchistischen und anarchosyndikalistischen Tradition sowie verschiedene Gruppen der kommunistischen Linken und Einzelpersonen an, die keiner bestimmten Organisation angehören. NWBCW ist in mehreren Ländern vertreten, von Südkorea und den USA bis nach Großbritannien und Europa. Es gibt kein zentrales Gremium und jedes lokale Komitee entscheidet auf der Grundlage seiner lokalen Situation, wie es die fünf grundlegenden Punkte, die ursprünglich vom ersten Komitee (in Liverpool) angenommen wurden, am besten umsetzen kann. Sie steckt noch in den Kinderschuhen und wie bei allen anderen Initiativen besteht ihre Schwäche darin, dass sie sich nur aus denjenigen zusammensetzt, die bereits politisch gegen Kapitalismus und Staat engagiert sind. Wenn es uns nicht gelingt, die breitere ArbeiterInnenklasse zu erreichen - die sich erst jetzt von dem Ansturm der letzten vierzig Jahre zu erholen beginnt -, dann werden wir nichts erreichen. Dies kann nur geschehen, wenn wir eine „kritische Masse“ erreichen, die es uns ermöglicht uns zu organisieren um sowohl die imperialistische Propaganda als auch die falschen Pläne der „Teilzeit-Internationalisten“ zu bekämpfen, die immer irgendeinen bestehenden Staat unterstützen oder einen anderen schaffen wollen.

Einige Organisationen, die dem NWBCW angehören, wie Mitglieder des AnarCom Network (ACN) und der Anarchist Communist Group (ACG), wurden ausdrücklich nach Prag eingeladen. Andere wurden nicht eingeladen, darunter die Internationalistische Kommunistische Tendenz (IKT). Doch wir werden zusammen mit den anderen GenossInnen anwesend sein, da wir allen acht Punkten des Aufrufs zustimmen. In diesem Sinne nehmen wir an der Prager Aktionswoche teil, von der wir hoffen, dass sie ein Erfolg wird und sich für andere internationalistische Initiativen öffnet, um uns alle näher zusammenzubringen.

Internationalistische Kommunistische Tendenz

AKTIONSWOCHE / PRAG / 20. – 26. 5. 2024 /

  • - An alle in der Welt, die den Kampf gegen die Angriffe des Kapitals, gegen alle Kriege und gegen alle bourgeoisen Staaten mit dem Ziel der Zerstörung des Kapitals und aller gesellschaftlichen Verhältnisse und aller daraus resultierenden Formen der Ausbeutung führen.
  • - Alle, die wissen, dass es weder einen gerechten Krieg noch einen Verteidigungskrieg gibt. Es gibt kein Lager, das die Barbarei vertritt, während das andere die Zivilisation repräsentiert. Es gibt kein Lager, das aggressiver ist als das andere und es gibt kein demokratisches Lager gegen ein diktatorisches oder faschistisches Lager. Alle Kriege sind kapitalistische Kriege, in denen verschiedene bourgeoise Fraktionen gegeneinander ausgespielt werden. Jeder Krieg ist ein Krieg der Bourgeoisie gegen das Proletariat!
  • - Diejenigen, die nicht eine Fraktion der Bourgeoisie gegen die andere unterstützen, sondern gegen jede von ihnen kämpfen. Diejenigen, die die klassenübergreifenden Fronten nicht verteidigen oder an ihnen teilnehmen.
  • - Diejenigen Individuen und Gruppen, die gegen die Politik der „Verteidigung der nationalen Ökonomie“ und der „Aufopferung für die Kriegsökonomie“ kämpfen, diejenigen, die die Expansionstaktik der eigenen Bourgeoisie nicht akzeptieren, selbst wenn sie einem ökonomischen, politischen oder militärischen Angriff ausgesetzt sind.
  • - An alle, die sich nicht als Pazifisten, sondern als Revolutionäre verstehen. An alle, die keinen bourgeoisen Frieden anstreben, in dem die Ausbeutung unserer Arbeitskräfte unter etwas anderen Bedingungen weitergehen kann.
  • - An alle, die den bourgeoisen Krieg in einen revolutionären Krieg verwandeln wollen, einen Krieg zwischen Staaten in einen Kampf um die Zerstörung aller Staaten.
  • - An alle, die in ihrer Praxis erkennen, dass das Proletariat kein Vaterland zu verteidigen hat. Unser Feind sind nicht die in die Schützengräben getriebenen Proletarier auf der anderen Seite der Front, sondern die Bourgeoisie – in der Praxis vor allem die Bourgeoisie „im eigenen Land“, „unsere eigene“ Bourgeoisie, die unsere Ausbeutung direkt organisiert.
  • - Und schließlich diejenigen, die je nach ihrer Stärke und Situation gegen die Bourgeoisie kämpfen, indem sie die Entwicklung des Proletariats als revolutionäre Klasse fördern und zum Aufbau und zur Entwicklung des proletarischen Internationalismus beitragen.
Friday, May 10, 2024