Der Kampf für die Klas­sen­au­to­no­mie

Die Bour­geoi­sie hat ein gro­ßes In­ter­es­se daran, Un­ter­schie­de und Frag­men­tie­run­gen in der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se zu nut­zen um sie zu spal­ten. Ar­bei­te­rIn­nen, die un­ter­ein­an­der im Kon­kur­renz­ver­hält­nis ste­hen und sich mit­ein­an­der in den Haa­ren lie­gen, weh­ren sich nicht gegen die Un­ter­drü­ckung. Eine ge­spal­te­ne Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se ist ein will­kom­me­nes Ob­jekt der Aus­beu­tung, und in letz­ter Kon­se­quenz Ka­no­nen­fut­ter für die Krie­ge des im­pe­ria­lis­ti­schen Zeit­al­ters. Die herr­schen­de Klas­se kann sich hier­bei auf di­ver­se Ideo­lo­gi­en und ein gan­zes Ge­flecht tra­dier­ter Herr­schafts­ver­hält­nis­se stüt­zen. Diese For­men der Un­ter­drü­ckung haben schon in vor­an­ge­gan­ge­nen Klas­sen­ge­sell­schaf­ten exis­tiert, aber im Ka­pi­ta­lis­mus eine mo­di­fi­zier­te den In­ter­es­sen des Sys­tems ent­spre­chen­de Form an­ge­nom­men. Die Auf­recht­er­hal­tung und Ver­fes­ti­gung der Spal­tung der Ar­bei­ter­klas­se in Aus- und In­län­der, Män­ner und Frau­en, Homo- und He­te­ro­se­xu­el­le etc. ist für die Herr­schafts­si­che­rung zen­tral. Das Schü­ren von Vor­ur­tei­len und Bi­got­te­rie war von jeher eine wich­ti­ge ideo­lo­gi­sche Waffe der Bour­geoi­sie. Umso wich­ti­ger ist es für Kom­mu­nis­tIn­nen ent­schie­den gegen alle For­men von Un­ter­drü­ckung und die viel­fäl­ti­gen ideo­lo­gi­schen Mys­ti­fi­zie­run­gen der Klas­sen­herr­schaft auf­zu­tre­ten.

Na­tio­na­lis­mus und der My­thos der „na­tio­na­len Be­frei­ung“

In Krieg und Frie­den ver­sucht die Bour­geoi­sie die Ar­bei­te­rIn­nen dazu zu brin­gen, dass sie sich mit “ihrem“ Land iden­ti­fi­zie­ren. Über Ge­ne­ra­tio­nen wird uns er­zählt, dass „unser Stand­ort“ in Ge­fahr sei und wir un­se­re Ar­beit­plät­ze ver­lie­ren, wenn wir nicht noch här­ter schuf­ten. Genau die glei­che Bot­schaft wird den Ar­bei­te­rIn­nen über­all ein­ge­trich­tert. In Zei­ten des Krie­ges sol­len wir dazu ge­bracht wer­den uns fürs „Va­ter­land“ ab­schlach­ten zu las­sen, bzw. un­se­re Klas­sen­brü­der-​ und Schwes­tern zu mas­sa­krie­ren. Die Idee der Na­ti­on ist eine ent­schei­den­de Stüt­ze jeder bür­ger­li­chen Herr­schaft. Sie ver­schlei­ert den Klas­sen­cha­rak­ter des Sys­tems und ver­mit­telt die Vor­stel­lung, die be­ste­hen­de Ord­nung sei Aus­druck der ge­mein­sa­men In­ter­es­sen des „Volkes“. Na­tio­na­lis­mus be­deu­tet immer Un­ter­ord­nung des Pro­le­ta­ri­ats unter die „ei­ge­ne Bour­geoi­sie“. Im Zeit­al­ter des Im­pe­ria­lis­mus, in dem die Herr­schaft des Ka­pi­tals den ge­sam­ten Erd­ball um­fasst, ist die Vor­stel­lung spe­zi­fisch „na­tio­na­ler Ent­wick­lungs­mög­lich­kei­ten“ und „noch zu lö­sen­der de­mo­kra­ti­scher Auf­ga­ben“ ab­surd und in jeder Hin­sicht re­ak­tio­när. Die in­ter­na­tio­na­lis­ti­sche Kom­mu­nis­ti­sche Linke hat nie­mals die sog. „na­tio­na­len Be­frei­ungs­kämp­fe“ un­ter­stützt. Es wird oft be­haup­tet, dass sich diese Kämp­fe gegen Un­ter­drü­ckung rich­ten und von daher an­ti­im­pe­ria­lis­tisch seien. Es stimmt, dass es in vie­len Län­dern un­ter­drück­te Min­der­hei­ten gibt. Aber diese un­ter­drück­ten Min­der­hei­ten kön­nen nichts ge­win­nen, wenn sie sich mit ihrer ei­ge­nen herr­schen­den Klas­se oder Tei­len der Bour­geoi­sie iden­ti­fi­zie­ren. Die Ar­bei­te­rIn­nen-​klas­se auf­zu­for­dern sich an einer na­tio­na­len Be­we­gung zu be­tei­li­gen, be­deu­tet sie auf die Schlacht­bank des Ka­pi­ta­lis­mus zu füh­ren. Eben­so wenig sind diese Kämp­fe „an­ti­im­pe­ria­lis­tisch“. Um Über­haupt mi­li­tä­ri­sche Schlag­kraft ent­wi­ckeln zu kön­nen, sind die na­tio­na­lis­ti­schen Be­we­gun­gen dar­auf an­ge­wie­sen im im­pe­ria­lis­ti­schen Macht­ge­fü­ge Spon­so­ren und Un­ter­stüt­zer zu fin­den. Auch ein frisch „be­frei­ter Staat“ wird sich nach ge­lun­ge­nem „Un­ab­hän­gig­keits­kampf“ nicht dem Netz im­pe­ria­lis­ti­scher Be­zie­hun­gen, die die Welt­wirt­schaft aus­ma­chen, ent­zie­hen kön­nen. Kein Staat kann sich heute un­ab­hän­gig und au­ßer­halb der Er­for­der­nis­se der ka­pi­ta­lis­ti­schen Kon­kur­renz auf dem Welt­markt ent­wi­ckeln. Jenen, die im­mer­fort ar­gu­men­tie­ren, dass Marx be­stimm­te Un­ab­hän­gig­keits­be­we­gun­gen un­ter­stütz­te oder dass Lenin für das na­tio­na­le Selbst­be­stim­mungs­recht ein­trat, er­wi­dern wir, dass solch ein me­cha­ni­scher “Mar­xis­mus“ nichts Mar­xis­mus zu tun hat. Marx schrieb zu einer Zeit, als der Ka­pi­ta-​lis­mus eine Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se, neue Tech­no­lo­gie, Ma­schi­nen und Wis­sen­schaft her­vor­brach­te. Vor die­sem Hin­ter­grund un­ter­stütz­ten Marx und En­gels ei­ni­ge na­tio-​na­le Be­we­gun­gen, von denen sie glaub­ten, dass diese die Über­win­dung feu­da­ler und vor-​ka­pi­ta­lis­ti­scher Struk­tu­ren be­schleu­ni­gen könn­ten. In die­ser auf­stei­gen­den Phase des Ka­pi­ta­lis­mus gab es noch Spiel­räu­me für die Her­aus­bil­dung un­ab­hän­gi­ger ka­pi­ta­lis­ti­scher Staa­ten und damit auch für die wei­te­re Ent­wick­lung der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se, dem zu­künf­ti­gen To­ten­grä­ber des Ka­pi­ta­lis­mus.

Doch in der Epo­che des Im­pe­ria­lis­mus sind den Spiel­räu­men „na­tio­na­ler Un­ab­hän­gig­keit“ enge Gren­zen ge­setzt. Es war Rosa Lu­xem­burg, nicht Lenin, die diese Tat-​sa­che (trotz ihrer feh­ler­haf­ten Ana­ly­se der Wur­zeln des Im­pe­ria­lis­mus) bes­ser be­griff. Die wei­te­re Ent­wick­lung des Ka­pi­ta­lis­mus in die­sem Jahr­hun­dert hat die Rich-​tig­keit der Po­si­ti­on Lu­xem­burgs zur na­tio­na­len Frage be­stä­tigt. Lenin hatte er­war­tet, dass der po­li­ti­sche Kampf der Ko­lo­ni­al­län­der die im­pe­ria­lis­ti­schen Mäch­te in ihren Grund­fes­ten er­schüt­tern würde. Doch im Zuge der De­ko­lo­nia­li­sie­rung nach dem Zwei­ten Welt­krieg er­füll­ten sich diese Hoff­nun­gen nicht. Die De­ko­lo­nia­li­sie­rung än­der­te nur wenig am öko­no­mi­schen Macht­ge­fü­ge. In vie­len Fäl­len war die Un­ab­hän­gig­keit der alten Ko­lo­ni­en das Er­geb­nis eines in­ner-​im­pe­ria­lis­ti­schen Macht­kamp­fes indem sich nach 1945 die USA gegen die alten Ko­lo­ni­al­mäch­te durch­setz­te. Die Bour­geoi­si­en in den Län­dern der Pe­ri­phe­rie mögen in der im­pe­ria­lis­ti­schen Hack­ord­nung zu­wei­len in einer schwä­che­ren Po­si­ti­on sein. Sie mögen auf al­ler­lei „an­ti­im­pe­ria­lis­ti­sche“ Rhe­to­rik und so­zia­le Dem­ago­gie set­zen. Doch all das än­dert nichts an der Tat­sa­che, dass sie in­te­gra­ler Be­stand­teil der glo­ba­len ka­pi­ta­lis­ti­schen Herr­schaft über die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se sind. Die sog. „na­tio­na­len Be­frei­ungs­be­we­gun­gen“ ver­kör­pern von daher die In­ter­es­sen bür­ger­li­cher Frak­tio­nen und Strö­mun­gen und agie­ren als Tei­l­ele­men­te der in­nerim­pe­ria­lis­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen gegen das Pro­le­ta­ri­at. Alle Theo­ri­en und Lo­sun­gen der „na­tio­na­len Be­frei­ung“ oder des „Selbst­be­stim­mungs­rechts der Völ­ker“ zie­len dar­auf ab, na­tio­na­lis­ti­sche Spal­tungs­li­ni­en in der Klas­se zu för­dern und das Pro­le­ta­ri­at bür­ger­li­chen Kräf­ten zu un­ter­wer­fen. An­ti­im­pe­ria­lis­tisch zu han­deln be­deu­tet heute gegen das Sys­tem als Gan­zes vor­zu­ge­hen. Die Aus­ge­beu­te­ten und Un­ter­drück­ten kön­nen nur auf der Basis der Klas­sen­au­to­no­mie für ihre Be­frei­ung kämp­fen. Als In­ter­na­tio­na­lis­tIn­nen ken­nen wir daher keine So­li­da­ri­tät mit „Völ­kern“, „Staa­ten“ oder „Na­tio­nen“, son­dern nur mit kon­kre­ten Men­schen und ihren Kämp­fen und so­zia­len Aus­ein­an­der­set­zun­gen. Unser Ziel ist der Kampf der Ar­bei­te­rIn­nen aller Na­tio­nen als ein­zi­ge Per­spek­ti­ve zur Über­win­dung jeder Un­ter­drü­ckung und Dis­kri­mi­nie­rung.

Frau­en­un­ter­drü­ckung

Aus­beu­tung, Haus­ar­beit, Dis­kri­mi­nie­rung und se­xu­el­le Ge­walt – das ist die all­täg­li­che Rea­li­tät für Mil­lio­nen pro­le­ta­ri­scher Frau­en welt­weit. Die Un­ter­drü­ckung der Frau hat ihre Wur­zel in der Tei­lung der Ge­sell­schaft in be­sit­zen­de und be­sitz­lo­se Klas­sen. Sie stellt ein be­son­de­res Un­ter­drü­ckungs­ver­hält­nis dar, wel­ches die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se als gan­zes schwächt.

Frau­en stel­len über 50% der Welt­be­völ­ke­rung, leis­ten aber einen Groß­teil der ge­sell­schaft­li­chen Ar­beit. Nach wie vor wer­den die Las­ten der Re­pro­duk­ti­ons­ar­beit (Kin­der­er­zie­hung, Haus­halt etc.). in ers­ter Linie den Frau­en auf­ge­halst. Selbst wenn Frau­en­ar­beit ent­lohnt wird, liegt die Be­zah­lung im Durch­schnitt deut­lich nied­ri­ger als die der Män­ner. Frau­en sind immer die ers­ten, die die An­grif­fe des Ka­pi­ta­lis­mus in Form von Krie­gen, Hun­ger, Kür­zungs­pro­gram­men und Ent­las­sungs­wel­len am här­tes­ten zu spü­ren be­kom­men. Die Bour­geoi­sie mag viel über Gleich­stel­lungs­ge­set­ze und „se­xu­el­le Be­frei­ung“ reden, in der Rea­li­tät wer­den Frau­en je­doch nach wie wie vor grund­le­gen­de Rech­te vor­ent­hal­ten. Noch immer wer­den sie durch di­ver­se Ab­trei­bungs­ge­set­ze ent­mün­digt, und ihnen selbst das Recht auf Selbst­be­stim­mung über ihren ei­ge­nen Kör­per ver­wei­gert. Ge­kop­pelt wird dies mit der Pro­pa­gie­rung einer Se­xu­al­mo­ral, die die Frau auf die Rolle als Mut­ter re­du­ziert, und die bür­ger­li­che Klein­fa­mi­lie zum ge­sell­schaft­li­chen Leit­bild er­hebt. Auf der an­de­ren Seite wer­den der Kör­per und die Se­xua­li­tät der Frau auf allen Ebe­nen der „Kul­tur­in­dus­trie“ als Ware für den Pro­fit ge­han­delt. Sei es nun in den mehr oder we­ni­ger ge­sell­schaft­lich ak­zep­tier­ten For­men der Wer­bung bis hin zu deut­li­che­ren Aus­for­mun­gen wie Por­no­gra­phie und Pro­sti­tu­ti­on. All dies trägt dazu bei, dass sich die Un­ter­drü­ckung der Frau als ver­meid­li­che Nor­ma­li­tät in das bür­ger­li­che All­tagbe­wusst­sein ein­frisst und auf allen Ebe­nen des ge­sell­schaft­li­chen Le­bens tag­täg­lich re­pro­du­ziert.

In der Pe­ri­ode nach dem Zwei­ten Welt­krieg haben Frau­en zwar weit­rei­chen­de Ver­bes­se­run­gen er­fah­ren, doch dies waren nur kurz­le­bi­ge Siege, die in ers­ter Linie dem Wirt­schafts­boom und den Er­for­der­nis­sen des Ka­pi­ta­lis­mus ge­schul­det waren. All dies steht im Zei­chen der Krise wie­der zur Dis­po­si­ti­on wie die rück­läu­fi­ge Lage der Frau­en am Ar­beits­markt und die di­ver­sen ideo­lo­gi­schen Kam­pa­gnen für eine Rück­kehr zu fa­mi­liä­ren Wer­ten zei­gen. Zwar hat der Ka­pi­ta­lis­mus die Grund­la­ge für die Be­frei­ung der Frau ge­legt, indem er Frau­en den Zu­gang zum Ar­beits­markt und die Teil­nah­me am ge­sell­schaft­li­chen Leben er­mög­lich­te, den­noch kann die Un­ter­drü­ckung der Frau nicht in­ner­halb der ka­pi­ta­lis­ti­schen Be­zie­hun­gen über­wun­den wer­den. Nach wie vor liegt die Wur­zel der Frau­en­un­ter­drü­ckung in der Fa­mi­lie, der letz­ten Bas­ti­on der bür­ger­li­chen Ei­gen­tums­ver­hält­nis­se. Die Ent­wick­lung des Ka­pi­ta­lis­mus hat die In­sti­tu­ti­on der Fa­mi­lie zwei­fel­los ge­schwächt. Auch konn­ten zu­min­dest und in den me­tro­po­li­ta­nen Län­dern die kras­ses­ten Aus­wüch­se pa­tri­a­cha­ler Un­ter­drü­ckung durch Ge­set­zes­re­ge­lun­gen wie das Recht auf Schei­dung und die Äch­tung von Ge­walt und Ver­ge­wal­ti­gung in der Ehe ein­ge­dämmt wer­den. Den­noch ist der Ka­pi­ta­lis­mus nicht in der Lage über die Fa­mi­lie als grund­le­gen­de ge­sell­schaft­li­che So­zia­li­sa­ti­ons­ein­heit hin­aus­zu­ge­hen. Die Eman­zi­pa­ti­on der Frau kann nur in einer Ge­sell­schaft rea­li­siert wer­den, in der die Auf­ga­ben der Kin­der­er­zie­hung, der Haus­ar­beit, Kran­ken-​ und Al­ten­ver­sor­gung Teil der kol­lek­ti­ven ge­sell­schaft­li­chen Tä­tig­keit sind. Die Eman­zi­pa­ti­on der Frau­en ist un­mit­tel­bar mit der Schaf­fung einer so­zia­lis­ti­schen Ge­sell­schaft und der Be­frei­ung der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se als Gan­zes ver­bun­den. Doch der Kampf gegen se­xis­ti­sche Dis­kri­mi­nie­rung kann nicht auf den Tag X nach der Re­vo­lu­ti­on ver­tagt wer­den. Es ist eine grund­le­gen­de Auf­ga­be von Re­vo­lu­tio­nä­rIn­nen scho­nungs­los gegen re­ak­tio­nä­re Ein­stel­lun­gen und Ver­hal­tens­mus­ter ge­gen­über Frau­en vor­zu­ge­hen. Wir wen­den uns gegen die Ver­klä­rung der bür­ger­li­chen Ehe und Fa­mi­lie, der Keim­zel­le pa­tri­ar­cha­ler Un­ter­drü­ckung und gegen die Dis­kri­mi­nie­rung von se­xu­el­len Ori­en­tie­run­gen, die von der herr­schen­den bür­ger­li­chen Se­xu­al­mo­ral ab­wei­chen. Im Ge­gen­satz zu bür­ger­li­chen Fe­min­stin­nen sind wir nicht der Mei­nung, dass der Se­xis­mus durch in­di­vi­du­el­le Ver­hal­tens­maß­re­geln oder gar die Quo­tie­rung des Staats­ap­pa­ra­tes zu mil­dern oder gar zu über­win­den ist. Indem er die Tei­lung der Ge­sell­schaft in Klas­sen igno­riert, ver­schlei­ert der Fe­mi­nis­mus den In­ter­es­sen­ge­gen­satz zwi­schen bür­ger­li­chen und pro­le­ta­ri­schen Frau­en und ent­puppt sich damit als re­ak­tio­nä­re Sack­gas­se. Der Kampf gegen Frau­en­un­ter­drü­ckung ist für uns keine reine „Frau­en­an­ge­le­gen­heit“, son­dern glei­cher­ma­ßen Mit­tel wie Vor­au­set­zung zur Her­stel­lung der Klas­sen­ein­heit. Die re­vo­lu­tio­nä­re Or­ga­ni­sa­ti­on muss alle er­for­der­li­chen Schrit­te tref­fen, um die volle Be­tei­li­gung von so vie­len Frau­en wie mög­lich an der kom­mu­nis­ti­schen Be­we­gung si­cher­zu­stel­len. Kein So­zia­lis­mus ohne Be­frei­ung der Frau, keine Be­frei­ung der Frau ohne So­zia­lis­mus

Ras­sis­mus

Der Ras­sis­mus, die Un­ter­drü­ckung und Dis­kri­mi­nie­rung von Men­schen an­hand ihnen zu­ge­schrie­be­ner Merk­ma­le ist eine der wi­der­wär­tigs­ten Er­schei­nungs­for­men der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft. Es ist kein Re­likt der Ver­gan­gen­heit oder gar ein na­tür­li­ches mensch­li­ches Phä­no­men, son­dern eine Un­ter­drü­ckungs­ideo­lo­gie mit einer spe­zi­fi­schen Ge­schich­te und einer be­son­de­ren ge­sell­schaft­li­chen Funk­ti­on. Der Ras­sis­mus hat sich im Zuge des Ko­lo­nia­lis­mus und der Ent­wick­lung des ka­pi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­tems her­aus­ge­bil­det. Im Un­ter­schied zu an­de­ren Ideo­lo­gi­en der Aus­gren­zung, wurde die Ab­wer­tung an­de­rer Men­schen nun an Ei­gen­schaf­ten und Merk­ma­le ge­knüpft, die ih­rer­seits für un­ver­än­der­lich er­klärt wur­den. In sei­ner Ge­schich­te hat der Ras­sis­mus die un­ter­schied­lichs­ten For­men und Fa­cet­ten an­ge­nom­men. Gleich­wohl er­füll­te er dabei für die Herr­schen­den stets die glei­che Funk­ti­on, Aus­beu­tung und Un­ter­drü­ckung ideo­lo­gisch zu be­grün­den. Der Ras­sis­mus ist somit nicht nur eine mo­ra­li­sche Obs­zö­ni­tät, son­dern ein we­sent­li­ches Or­ga­ni­sa­ti­ons­prin­zip der ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­sell­schaft. Die Auf­recht­er­hal­tung der Struk­tur der ka­pi­ta­lis­ti­schen Wirt­schaft er­for­dert es, dass Ar­bei­ter an­de­re Ar­bei­ter als Kon­kur­ren­ten um Ar­beits­plät­ze, Woh­nun­gen, den Zu­gang zu Bil­dungs­ein­rich­tun­gen etc. an­se­hen. Dies ist ein wich­ti­ges Ein­falls­tor für na­tio­na­lis­ti­sche und ras­sis­ti­sche Ideen, deren Aus­wir­kun­gen Karl Marx schon im letz­ten Jahr­hun­dert im Ver­hält­nis von iri­schen und eng­li­schen Ar­bei­tern be­ob­ach­te­te: “Alle in­dus­tri­el­len und kom­mer­zi­el­len Zen­tren Eng­lands be­sit­zen jetzt eine Ar­bei­ter­klas­se, die in zwei feind­li­che Lager ge­spal­ten ist, eng­li­sche pro­le­ta­ri­ans und iri­sche pro­le­ta­ri­ans. Der ge­wöhn­li­che eng­li­sche Ar­bei­ter hasst den iri­schen Ar­bei­ter als einen Kon­kur­ren­ten, wel­cher den stan­dard of life her­ab­drü­cke. Er fühlt sich ihm ge­gen­über als Glied der herr­schen­den Na­ti­on und macht sich des­we­gen zum Werk­zeug sei­ner Aris­to­kra­ten und Ka­pi­ta­lis­ten gegen Ir­land, be­fes­tigt damit deren Herr­schaft über sich selbst. Er hegt re­li­giö­se Vor­ur­tei­le gegen ihn. Er ver­hält sich un­ge­fähr zu ihm wie die armen Wei­ßen zu den Schwar­zen in den ehe­ma­li­gen Skla­ven­hal­ter­staa­ten der ame­ri­ka­ni­schen Union. Der Ir­län­der zahlt mit glei­cher Münze zu­rück. Er sieht zu­gleich in dem eng­li­schen Ar­bei­ter den Mit­schul­di­gen und das stu­pi­de Werk­zeug der eng­li­schen Herr­schaft in Ir­land. Die­ser Ant­ago­nis­mus wird künst­lich wach ge­hal­ten und ge­stei­gert durch die Pres­se, die Kan­zel, die Witz­blät­ter, kurz alle den herr­schen­den Klas­sen zu Gebot ste­hen­den Mit­tel. Die­ser Ant­ago­nis­mus ist das Ge­heim­nis der Ohn­macht der eng­li­schen Ar­bei­ter­klas­se, trotz ihrer Or­ga­ni­sa­ti­on. Es ist das Ge­heim­nis der Macht­er­hal­tung der Ka­pi­ta­lis­ten­klas­se.“

Der Ras­sis­mus un­ter­gräbt somit die ein­zi­ge Grund­la­ge, auf der er­folg­rei­cher Wi­der-​stand gegen die all­täg­li­chen Zu­mu­tun­gen die­ses Sys­tems mög­lich ist – die Klas­sen­so­li­da­ri­tät. Trotz der In­ter­na­tio­na­li­sie­rung des Ka­pi­ta­lis­mus übt die Bour­geoi­se ihre Herr­schaft in der Form des Na­tio­nal­staa­tes aus. Dem­ge­gen­über ist das Pro­le­ta­ri­at eine in­ter­na­tio­na­le Klas­se, eine Klas­se von Mi­gran­tIn­nen. Jede Spal­tung schwächt ihren Kampf und ver­fes­tigt die Dreh­schrau­ben der Aus­beu­tung. Des­halb ist es eine vor­dring­li­che Auf­ga­be für Kom­mu­nis­tIn­nen kom­pro­miss­los gegen ras­sis­ti­sche Ideen zu kämp­fen. Unser Wi­der­stand gegen den Ras­sis­mus hat nichts mit den gön­ner­haf­ten Re­form­pro­jek­ten sog. Mul­ti­kul­ti-​Pro­pa­gan­dis­ten zu tun, die mit al­ler­lei kul­tu­ra­lis­ti­schen Zu­schrei­bun­gen hau­sie­ren gehen und im Rah­men ihres ei­ge­nen po­si­ti­ven Ras­sis­mus nur jene „kul­tu­rel­len Un­ter­schie­de“ ak­zep­tie­ren, die sie für das ein­hei­mi­sche Pu­bli­kum für ver­dau­lich hal­ten. Die Spal­tung der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se kann nicht da­durch über­wun­den wer­den, dass sich die „aus­län­di­schen“ Min­der­hei­ten der je­wei­li­gen „Do­mi­nanz­kul­tur“ an­pas­sen. Wir leh­nen jede po­si­ti­ve Be­wer­tung der „In­te­gra­ti­on“ oder der „As­si­mi­la­ti­on“ ab. Der­ar­ti­gen Vor­stel­lun­gen liegt immer das bür­ger­li­che Vor­ur­teil der Hö­her­wer­tig­keit ir­gend­ei­ner „na­tio­na­len Kul­tur“ und Spra­che zu­grun­de. Zur Über­win­dung ras­sis­ti­scher Spal­tungs­li­ni­en ist eine be­wuss­te Min­der­hei­ten­po­li­tik mit den un­ter­drück­tes­ten Sek­to­ren der Klas­se not­wen­dig. Das kom­pro­miss­lo­se Ein­tre­ten gegen alle ras­sis­ti­schen Schi­ka­nen, Dis­kri­mi­nie­run­gen, Aus­nah­me­ge­set­ze und Ver­wal­tungs­pra­xen ist eine we­sent­li­che Grund­be­din­gung zur Her­stel­lung der Klas­sen­ein­heit. Die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se hat weder Va­ter­län­der noch na­tio­na­le Kul­tu­ren zu ver­tei­di­gen. Der ein­zi­ge Aus­weg aus der Tret­müh­le der Aus­beu­tung be­steht in der Über­win­dung des ka­pi­ta­lis­ti­schen Sys­tems, wel­ches den Ras­sis­mus her­vor­bringt und tag­täg­lich re­pro­du­ziert.

Fa­schis­mus

Der Fa­schis­mus war eine Ant­wort der Bour­geoi­sie auf das Er­star­ken der Klas­sen­be-​we­gung nach dem Ers­ten Welt­krieg. His­to­risch ent­wi­ckel­te sich der Fa­schis­mus als Be­we­gung ra­di­ka­li­sier­ter Klein­bür­ger, die sich glei­cher­ma­ßen durch die Krise des Ka­pi­ta­lis­mus als auch die Klas­sen­kämp­fe des Pro­le­ta­ri­ats in ihrer Exis­tenz be­droht sahen. Durch sein mi­li­tan­tes Auf­tre­ten und ein bi­zar­res Pro­pa­gan­da­ge­misch aus ag­gres­si­vem Na­tio­na­lis­mus, An­ti­se­mi­tis­mus und so­zia­ler Dem­ago­gie er­lang­te der Fa­schis­mus je­doch auch über diese Krei­se hin­aus Mas­sen­ein­fluss. Doch es war we­ni­ger seine re­ak­tio­nä­re eklek­ti­sche Pro­gram­ma­tik son­dern der Ter­ror gegen die Or­ga­ni­sa­tio­nen der Ar­bei­te­rIn­nen­be­we­gung, die Teile der Bour­geoi­sie dazu be­wo­gen, die fa­schis­ti­schen Be­we­gun­gen für ihre Zwe­cke ein­zu­span­nen. Für den kri­sen­ge­schüt­tel­ten Ka­pi­ta­lis­mus er­wies sich der Fa­schis­mus über­all dort als Herr­schafts­op­ti­on wo die re­vo­lu­tio­nä­ren Kämp­fe der Klas­se das Sys­tem in sei­nen Grund­fes­ten be­droht hat­ten und eine Wie­der­an­kur­be­lung der Wirt­schaft eine kor­po­ra­tis­ti­sche und zen­tra­lis­ti­sche Or­ga­ni­sa­ti­on der Ge­sell­schaft er­for­der­lich mach­te. Indem er den In­ter­es­sens­kampf der Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se im Keim un­ter­drück­te, jeden An­satz von Op­po­si­ti­on zer­schlug, und alle Be­rei­che der Ge­sell­schaft der staat­li­chen Kon­trol­le un­ter­warf, er­wies sich der Fa­schis­mus als be­son­ders au­to­ri­tä­re Form der Dik­ta­tur des Ka­pi­tals.

Die bes­tia­li­schen Ver­bre­chen des Fa­schis­mus zei­gen ein­mal mehr, zu wel­cher men­schen­ver­ach­ten­den Bru­ta­li­tät die ka­pi­ta­lis­ti­sche Ge­sell­schaft im im­pe­ria­lis­ti­schen Zy­klus von Krise und Krieg fähig ist. Von daher kommt es nicht von un­ge­fähr, dass ei­ni­ge be­zahl­te Mo­ra­lis­ten der Bour­geoi­se gerne ver­su­chen den Fa­schis­mus als an­ti­bür­ger­li­che Re­vol­te oder gar als der bür­ger­li­chen Ge­sell­schaft äu­ßer­li­ches Ex­trem da­zu­stel­len. An­ge­sichts des schier un­fass­ba­ren Grau­ens der Shoa mögen der­ar­ti­ge Ar­gu­men­ta­tio­nen auf den ers­ten Blick plau­si­bel er­schie­nen. Den­noch blei­ben sie Mys­ti­fi­ka­tio­nen, mit denen das sym­bio­ti­sche Ver­hält­nis von Fa­schis­mus und De­mo­kra­tie un­ter­schla­gen wer­den soll. Ohne Zwei­fel haben die Fa­schis­ten den Ras­sis­mus bis ins äu­ßers­te Ex­trem ge­stei­gert. Aber weder Ras­sis­mus, noch An­ti­se­mi­tis­mus und Na­tio­na­lis­mus sind aus­schließ­lich fa­schis­ti­sche Er­fin­dun­gen son­dern we­sent­li­che Struk­tur­ele­men­te der ka­pi­ta­lis­ti­schen Ge­sell­schaft. Eben­so wenig ste­hen die Fa­schis­ten au­ßer­halb und schon gar nicht im Wi­der­spruch zu den herr­schen­den Ver­hält­nis­sen. Viel­mehr grei­fen sie die von den Herr­schen­den tag­täg­lich ge­streu­ten Res­sen­ti­ments und Ideo­lo­gi­en auf, um sie dann in ihrem Sinne zu­zu­spit­zen. Aus die­sem Grund be­kämp­fen Kom­mu­nis­tIn­nen den Fa­schis­mus wie jede an­de­re Form bür­ger­li­cher Herr­schaft.

Die Sack­gas­se des An­ti­fa­schis­mus – gegen alle Ein­heits-​ und Volks­fron­ten!

Es ist für die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se ab­so­lut not­wen­dig sich gegen das Auf­tre­ten und die An­grif­fe der Fa­schis­ten zur Wehr zu set­zen. Al­ler­dings kann ein sol­cher Kampf nur auf einer kla­ren Klas­sen­grund­la­ge Aus­sicht auf Er­folg haben. Der Wi­der­stand gegen den Fa­schis­mus muss Teil des um­fas­sen­den an­ti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Kamp­fes zur Über­win­dung aller For­men bür­ger­li­cher Herr­schaft sein. Wir leh­nen jede Be­tei­li­gung an den di­ver­sen an­ti­fa­schis­ti­schen Bünd­nis­sen und Kam­pa­gnen zur „Ver­tei­di­gung der De­mo­kra­tie“ ab. Diese stel­len re­ak­tio­nä­re Sack­gas­sen dar, um die Ar­bei­te­rIn­nen­klas­se vor den Kar­ren des „de­mo­kra­ti­schen“ aber den­noch bür­ger­li­chen Staa­tes zu span­nen. Die ganze Logik des An­ti­fa­schis­mus be­steht darin, dem Fa­schis­mus wi­der­ste­hen zu wol­len, indem man die De­mo­kra­tie ver­tei­digt. An­ge­sichts der Ge­fahr des Fa­schis­mus soll der Kampf gegen den Ka­pi­ta­lis­mus ein­ge­stellt und der de­mo­kra­ti­sche Staat als klei­ne­res Übel zu ver­tei­di­gen wer­den. Die Vor­stel­lung, die De­mo­kra­tie ver­tei­di­gen zu wol­len, läuft dar­auf hin­aus, den My­thos des Staa­tes als klas­sen­neu­tra­le In­stanz zu ak­zep­tie­ren, zu be­för­dern und ihm letzt­end­lich zu er­lie­gen. Es be­deu­tet den Staat zu stär­ken, sich sei­ner Ge­walt zu un­ter­wer­fen und sich jeder Mög­lich­keit der Selbst­ak­ti­vi­tät zu be­rau­ben. Letzt­end­lich heißt das nichts an­de­res als das Pro­le­ta­ri­at an den Staat zu fes­seln und sei­ner Re­pres­si­on schutz­los aus­zu­lie­fern. Fol­ge­rich­tig schei­ter­te der An­ti­fa­schis­mus immer da, wo er Ef­fek­ti­vi­tät vor­gau­kel­te – die Ver­wand­lung der De­mo­kra­tie in eine Dik­ta­tur im brei­test­mög­li­chen Bünd­nis aller Gut­men­schen zu ver­hin­dern. Alle Ver­su­che den An­ti­fa­schis­mus re­vo­lu­tio­när zu be­män­teln führ­ten ent­we­der in die Bla­ma­ge, wenn sich der Staat als der bes­se­re An­ti­fa­schist prä­sen­tier­te, oder in die Ka­ta­stro­phe wenn im Namen der „an­ti­fa­schis­ti­schen Ein­heit“ auf die Re­vo­lu­ti­on ver­zich­tet wurde. Als Ideo­lo­gie der Staats­ver­herr­li­chung und prak­ti­schen An­lei­tung zum Re­vo­lu­ti­ons­ver­zicht ist der An­ti­fa­schis­mus ge­nau­so gegen das Pro­le­ta­ri­at ge­rich­tet wie der Fa­schis­mus. Wer den Fa­schis­mus wirk­lich er­le­di­gen will, muss den An­ti­fa­schis­mus be­kämp­fen und um­ge­kehrt. Die Al-​ter­na­ti­ve, vor der die Mensch­heit an­ge­sichts der de­struk­ti­ven Ent­wick­lungs­po­ten­tia­le des Ka­pi­ta­lis­mus steht, lau­tet nicht „De­mo­kra­tie oder Fa­schis­mus“, son­dern „So­zia­lis­mus oder Bar­ba­rei“.

Tuesday, January 7, 2014