Wahlk(r)ampf 2025: Ein Kompetenzstreit in Sachen Rassismus und Inhumanität

Ein „Winterwahlkampf“ im Zeichen Donald Trumps, der immer mehr von einem toxischen Diskurs über Migration überschattet wird, die mittlerweile zur Ursache aller sozialen Verwerfungen erklärt wird. Der Jargon der bürgerlichen Demokratie nimmt immer nationalistischere Züge an, wie es sich an den Laternenpfählen besichtigen lässt: „Für ein Land auf das wir wieder stolz sein können“(CDU) oder „Mehr für dich. Besser für Deutschland“(SPD) lauten die Parolen. Die FDP schlussfolgert, dass auch „guter Wille“ der Migration „Grenzen setzen“ müsse. Die AfD bringt diese Logik direkter auf den Punkt: „Konsequent abschieben!“

Es war absehbar, dass in diesem gesellschaftlichen Klima die entsetzlichen Anschläge von Magdeburg und Aschaffenburg für Wahlkampfmanöver instrumentalisiert und rassistisch ausgeschlachtet werden würden. Unmittelbar nach der Bluttat von Aschaffenburg, erklärte CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz in klassischer Donald Trump-Manier, dass er bereits „am ersten Tag“ als Bundeskanzler die Grenzen „dauerhaft kontrollieren“ und „ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise“ zurückweisen würde. Die Zurückweisung gelte „ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch“. Merz erklärte diese Forderungen für „unverhandelbar“ und zu einer Koalitionsbedingung für eine Regierungsbildung nach der Wahl. Um diesbezüglich Entschlossenheit und Tatkraft zu signalisieren, entschloss sich Merz und die Unionsspitzen „all in“ zu gehen und vor dem Wahltermin „egal mit welchem Partner“ entsprechende Anträge und einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen. Was folgte ist hinlänglich bekannt. Der von der Union eingereichte Entschließungsantrag „Fünf-Punkte-Plan zur Migrationspolitik“ erlangte erwartungsgemäß auch die Unterstützung der AfD und damit eine Mehrheit. Zwei Tage später scheiterte der von Union, AfD, FDP und BSW unterstützte Entwurf eines „Zustrombegrenzungsgesetzes“ nur knapp. Gleichwohl war es das erste Mal, dass ein Antrag „sehenden Auges“ mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit erhielt. Diese war folgerichtig auch sichtlich aus dem Häuschen: „Jetzt beginnt was Neues und das führen wir an“ frohlockte der parlamentarische Geschäftsführer der AfD Bernd Baumann.

Die Brandmauer und die Heuchelei der „demokratischen Mitte“

Dieser Vorgang löste in weiten Teilen der Bevölkerung Entsetzen aus. Die Kirchen verfassten einen Brandbrief, Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel rügte öffentlich das Vorgehen von Friedrich Merz, Zehntausende Menschen gingen bundesweit auf die Straße. Durch das gemeinsame Paktieren von CDU, FDP, BSW und der AfD wurde ein weiterer parlamentarischer Tabubruch vollzogen und die sog. „Brandmauer zur AfD“ endgültig eingerissen. Diese war jedoch ohnehin schon so morsch wie ein deutscher Jägerzaun. Diesbezüglich schrieben wir bereits vor einem Jahr:

Die viel beschworene „Brandmauer gegen rechts“ erweist sich somit als selbst prozessierender Widerspruch. Während man sich rhetorisch gegen die AfD positioniert, werden zeitgleich Asylgesetze weiter verschärft, der Polizei und Sicherheitsapparat ausgebaut und damit zentrale Programmpunkte der AfD umgesetzt. Besonders zynische Politikanten begründen dies damit, die AfD so zu entzaubern und ihr das Wasser abgraben zu wollen. Doch faktisch wurde die AfD so nur weiter aufgewertet und gestärkt. Nach wie vor befindet sie sich in der äußerst komfortablen Situation mit ihren Forderungen weiter nachzulegen, zuzuspitzen und sich als besonders konsequente Vertreterin einer autoritären Krisenlösung in Szene setzen zu können.(1)

Ein Prozess der sich nun auf neuer Stufenleiter weiter fortsetzt. Die Kritik der sog. „demokratischen Mitte“ an den Anträgen der Union bezog sich niemals auf den menschenfeindlichen Inhalt, sondern auf das Vorgehen. Allenfalls wurden rechtliche Bedenken bei der Umsetzung geäußert und vor „nationalen Alleingängen“ gewarnt. Vor allem aber wurde moniert, dass die Union durch ein gemeinsames Paktieren mit der AfD die „demokratischen Mitte“ sprengen könnte.

Doch wer ist die „demokratische Mitte“, die sich nun wortgewaltig als antifaschistische Verteidigung der Brandmauer aufspielt? Es sind dieselben Charaktermasken, die noch vor einem Jahr erklärten: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“ (Olaf Scholz) Es sind dieselben, die in den letzten Jahren die härtesten Maßnahmen und Gesetzte gegen Geflüchtete auf den Weg gebracht haben und das Asylrecht aushöhlten. Eine Politik, für die sie sich auch noch ausdrücklich rühmen. „Wir sind das einzige Land in Europa, dem es in der vergangenen Jahren überhaupt gelungen ist, Straftäter nach Afghanistan abzuschieben“, erklärte diesbezüglich Olaf Scholz. „Wenn das einmal geht, muss es viel öfter gehen“, frohlockt die AFD und feuert damit den rassistischen Überbietungswettbewerb weiter an. Und so war es auch wenig verwunderlich, dass Robert Habeck für die Grünen mit einem „10-Punkte-Plan“ nachlegte. Er zielt auf eine „Vollstreckungsoffensive“ mit „Schwerpunkt auf Islamisten und Gewalttäter“, eine „wirksame Eindämmung der Migration an den deutschen Außengrenzen“ und „drastische Beschleunigung der Asylverfahren“. Die AfD mag sich darüber mokieren, dass dies bei ihr abgeschrieben wurde. Doch sie weiß sehr genau, dass sie im derzeitigen Kompetenzstreit in Sachen Rassismus die Nase vorn hat.

Die Agonie des deutschen Kapitalismus

Das Auseinanderbrechen der „Ampel-Regierung“ unmittelbar am Tage des „Trump-Schocks“ stand geradezu symbolhaft für die Krisenhaftigkeit des deutschen Kapitalismus. Die sog. „Ampel“ ging als eine der unbeliebtesten Regierungen in die Geschichte ein. Viele machen sie für die derzeitige Misere verantwortlich. Gleichzeitig sind die Hoffnungen sehr verhalten, dass es eine CDU-Regierung besser machen würde. Dies mag ein Beweggrund für Friedrich Merz gewesen sein, offen die rassistische Karte zu spielen, um im Wahlkampf die Lufthoheit zu gewinnen. Doch die Probleme reichen tiefer. Die Implikationen des Ukrainekrieges haben den deutschen Kapitalismus strategisch und ökonomisch zurückgeworfen. Neue militärische und energiepolitische Abhängigkeiten sind entstanden. Dies gilt besonders für das Verhältnis zu den USA. Gleichzeitig wäre ein Abschneiden von den chinesischen Märkten, wo die Luft ohnehin schon dünner wird, für die exportabhängige deutsche Wirtschaft katastrophal. All dies hat tiefe Risse in das Lager der deutschen Bourgeoise getrieben. Hinzu kommt nun noch der Faktor Trump, der allgemeinhin als unberechenbar gilt. Eine drohende Eskalation des Streits um Einfuhrzölle oder gar ein Handelskrieg mit den USA hätte weitere unabsehbare Folgen für die deutsche Wirtschaft. Für das deutsche Kapital besteht der einzige Ausweg aus diesem Dilemma in massiver Aufrüstung und knallharten Sozialabbau. Das sog. 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr ist nur ein Vorgeschmack für alles was noch kommen wird. Es liegt auf der Hand wer die Kosten für die forcierte Aufrüstung zahlen wird. Die Hetze gegen BürgergeldempfängerInnen oder die Forderung nach Streichung von Krankheitstagen sprechen eine klare Sprache. Sie sind Vorboten für weitere harte Angriffe auf Löhne, Renten und Sozialleistungen. Bereits jetzt sind 14 Millionen Menschen in Deutschland von Armut betroffen (fast 3 Millionen mehr als noch 2006). Die Kosten für Wohnen, Heizung und Lebensmittel sind rasant gestiegen. Gleichzeitig sind die Nettoausgaben für die Sozialhilfe fast um die Hälfte zurückgegangen. 2019 lagen sie noch bei 32,82 Milliarden Euro. 2022 waren es lediglich 17.63 Milliarden Euro. Dem stehen die satten Gewinne von Rüstungskonzernen gegenüber. So konnte bspw. Rheinmetall 2024 Aufträge in Höhe von 52 Milliarden einfahren. Eine Steigerung um 48%!

Vor diesem Hintergrund ist es für die Herrschenden nur folgerichtig das „Thema Migration“ zu bespielen, rassistische Stimmungsmache zu betreiben und Geflüchtete und MigrantInnen als Sündenböcke für die soziale Misere verantwortlich zu machen. Es ist das alte Spiel. Rassismus ist nicht einfach nur ein Vorurteil oder eine moralische Obszönität, sondern ein Organisationsprinzip der kapitalistischen Gesellschaft. Dieses System basiert darauf, dass sich Lohnabhängige als Konkurrenten um Arbeitsplätze, Sozialleistungen und Wohnungen begreifen. Rassismus speist sich aus der Vorstellung, dass der Kelch an einem vorübergehen könne, wenn man nach unten tritt und andere den Gürtel enger schnallen müssen. Auf dieser Grundlage kann der Gedanke, dass „die Migration“ für marode Infrastruktur, fehlende Wohnungen und Arbeitsplätze verantwortlich sei, weiter um sich greifen. Solange hier nicht angesetzt und in den sozialen und politischen Auseinandersetzungen deutlich gemacht wird, dass die Ursache aller Krisenerscheinungen das System selbst ist, wird die rassistische Rechte weiter punkten können.

Gegen rassistische Spaltung: Nicht Wählen sondern Kämpfen!

Das Konkurrenz- und Profitstreben des Kapitalismus hat weltweit verheerende Zerstörungen zur Folge. Klimawandel und Umweltzerstörung, Hungersnöte und immer brutalere Kriege führen zu Flucht und Vertreibung von Millionen Menschen. Angesichts dieser globalen Probleme haben die zur Wahl stehenden Programme nichts weiter anzubieten als das reaktionäre Konzept nationaler Abschottung. Es ist die Aufforderung auf die Schwächsten einzuschlagen, um Ausbeutung zu verewigen. Diejenigen, die gezwungen sind tagtäglich ihre Arbeitskraft unter immer prekäreren Bedingungen zu verkaufen, können kein Interesse an der Verschärfung der Migrationsgesetze haben, die einzig und allein darauf abzielen uns zu spalten. Ohne eine kompromisslose Verteidigung und Organisierung von Geflüchteten und MigrantInnen wird kein erfolgreicher Kampf für mehr Lohn, günstige Wohnungen, bessere Bildungs- und Gesundheitsversorgung und gegen die entfesselte Kriegstreiberei möglich sein. Das Eintreten für einen solchen internationalistischen Standpunkt mag unter den gegenwärtigen Bedingungen alles andere als populär sein. Doch es ist eine Grundvoraussetzung für die Herstellung der Klasseneinheit, um in den anstehenden sozialen Auseinandersetzungen bestehen zu können. Diese Perspektive steht freilich auf keinem Wahlzettel. Sie wird sich auch nicht als Entschließungsantrag oder Gesetzesentwurf in den Bundestag einbringen lassen. Sie kann nur durch solidarisches selbsttätiges Handeln Gestalt annehmen. Der aufstrebende Autoritarismus, der sich in den Wahlprogrammen widerspiegelt, setzt auf Hetze und Manipulation. Der so geformte „Wählerwille“ gilt ihm als Totschlagargument um weiter zu spalten, Aufrüstung und Sozialabbau voranzutreiben und uns in Kriege zu hetzen. Der bürgerliche Parlamentarismus vermittelt die Illusion, dass andere für uns handeln, bzw. in unserem Sinne Politik machen würden und kultiviert damit Anpassung und Untertanengeist. Es ist Augenwischerei zu glauben mit dem Stimmzettel Veränderung bewirken, oder das Schlimmste verhüten zu können. Unsere Lebensinteressen als Lohnabhängige werden wir nur selber verteidigen können. Gemeinsam, selbstorganisiert und solidarisch! Erteilt den rassistischen Hetzern eine Absage! Wehrt euch gegen Lohnkürzungen, steigende Mieten und Kriegstreiberei! Organisiert euch am Arbeitsplatz und in den Stadtteilen!

Wählt nicht, kämpft!

GIK

Anmerkungen:

(1) Nicht nur gegen die AfD!: leftcom.org

Monday, February 10, 2025